Warum Projekte einfrieren zu mehr Durchsatz führt
Das Argument “Qualität über Quantität” ist Ihnen sicher bekannt: lieber etwas weniger tun, dafür aber besser. Ob Sie dem zustimmen, wird wahrscheinlich von Ihrer individuellen Unternehmensstrategie und Produktpositionierung abhängen.
Was aber halten Sie von der Idee, weniger zu tun, damit alles schneller fertig wird?
Die Theory of Constraints (TOC) lehrt uns: reduzieren wir den Work in Process (WIP) um die Hälfte, verkürzen sich die Durchlaufzeiten ebenfalls in ungefähr gleicher Höhe. Wenden wir diese Logik anhand von Critical Chain Projektmanagement (CCPM) auf Projekte an, passiert ähnliches.
CCPM legt besonderen Wert auf Fokus, sowohl in Bezug auf Mechanismen der Projektsteuerung als auch bei der Reduzierung von Multitasking. Multitasking ist der größte Feind des effektiven Projektmanagements.
Wenn unser Team das erste Mal ein neues Unternehmen besucht, entdecken wir meist, dass Abteilungen mehr Projekte gleichzeitig bearbeitet werden, als sie realistisch gleichzeitig schaffen können. Die Folge: Mitarbeiter springen zwischen Projekten hin- und her, ohne jemals eines zu beenden.
In allen Projekten sind Aufgaben verspätet, während die Teams, die im Arbeitsfluss hinter einer Engpassressource liegen, „Däumchen drehend“ darauf warten, dass irgendein Task beendet wird. Um aber irgendetwas zu tun zu haben (und unbeschäftigte Mitarbeiter rufen erstmal erhebliche Widerstände hervor), fangen diese Teams häufig andere (nicht kritische) Aufgaben an. Dadurch wird die Arbeit an den kritischen Aufgaben natürlich nur weiter verzögert, wenn sie die Teams endlich erreichen.
Es erscheint also offensichtlich, dass Multitasking nicht funktioniert, denn es verschiebt die Liefertermine aller Projekte weiter in die Zukunft – so wird schlussendlich alles viel später fertig.
Und doch begegnen wir dem Phänomen immer wieder.
Der Vertrieb eines größeren Maschinenbauunternehmens, mit dem wir kürzlich zusammenarbeiteten, demonstrierte genau den gleichen Reflex. Ihre Verkaufs-Pipeline quoll über.
Ideale Voraussetzungen, könnte man meinen. Das Unternehmen hat eine riesige Auswahl potentieller Kunden.
Auf gewisse Weise stimmt das auch: auf den ersten Blick bestand ein großes Marktpotential für ihre Produkte. Doch das Team schaffte seine Verkaufsziele trotzdem nicht. In der Praxis war es für die Verkaufsleute einfach unmöglich, die unzähligen Kontakte in ihren Portfolios effektiv zu betreuen.
Es war also unerlässlich, dass jeder Mitarbeiter die Anzahl an Kunden, für die er zuständig war, erst einmal reduzierte, um sich richtig um sie kümmern zu können. Bei näherer Inspektion wurde uns schnell klar, dass die Kontakte von unterschiedlicher Qualität waren, mit eigenen Bewertungen, Zeitskalen, Prestige und Erfolgschancen.
Die Lösung lag auf der Hand: nachdem die Verkaufsleute die Kontakte mit weniger Erfolgschancen oder niedrigerem Wert aussortiert hatten, konnten sie sich auf jene konzentrieren, bei denen eine realistische Gewinnchance bestand und die für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll waren.
Im Vertrieb ist es einfach, den notwendigen Fokus zu schaffen, indem man alle Kontakte entfernt, die eine gewisse Qualitätsschwelle nicht erreichen. Im Projektumfeld ist das natürlich nicht so einfach. Hier muss jedes Kunden-Projekt fertiggestellt werden; wir können nicht einfach die weglassen, die weniger Erfolg versprechen. Etwas anderes gilt natürlich für interne Projekte.
Trotzdem können wir eine ähnliche Vorgehensweise übernehmen. Denn nur wenn wir unsere Ressourcen fokussieren und Projekte zu Ende bringen, können wir die allgemeine Performance und Termintreue projektübergreifend verbessern. Dadurch werden nicht nur die Projektlaufzeiten dank reduziertem Multitasking kürzer, jedes Projekt wird zudem früher Einnahmen generieren, wodurch der Cash Flow ebenfalls verbessert wird.
Dies erreichen wir, indem wir einige Kunden-Projekte einfrieren, damit die aktiven Projekte besser betreut werden können. Die internen Projekte werden auf ihre Effektivität fürs Gesamtunternehmen untersucht und auf 20% reduziert. Dadurch werden alle Projekte schneller fertig und führen auch schneller zu Einnahmen.
Finden wir bei einem Kunden eine nicht zu bewältigende Anzahl gleichzeitig laufender Projekte vor, ist dies eine der ersten Strategien, die wir einsetzen. In der Regel reduzieren wir die Anzahl aktiver Projekte um 25-50%, je nachdem, wie schlimm das Multitasking-Problem vor Ort ist.
Es sollte in jedem Fall möglich sein, die Anzahl der Projekte so weit zu reduzieren, dass die Betreuung der noch aktiven Projekte effektiver zu handhaben ist. Die Bandbreite ist hier recht weit. Unsere Kürzung muss irgendwo auf dieses Plateau fallen – es kommt nicht auf zwei Prozentpunkte an! Wir müssen die Arbeitslast genug reduzieren, um Flow zu schaffen, aber nicht so viel, dass den (Engpass-) Ressourcen die Arbeit ausgeht.
Wie bei unserem Beispiel aus dem Vertrieb muss das Unternehmen auch hier festlegen, auf welche Projekte der Fokus zuerst gerichtet wird. Die restlichen Projekte werden dann vorerst eingefroren. Meist sind die Projektteams überrascht, wie schnell sich die Produktivität erhöht.
Jetzt laufen die Projekte optimal, ohne schädliches Multitasking. Die Projektmitarbeiter können die aktiven Projekte viel schneller beenden. Projekte werden schneller rentabel, da sie früher Einkommen generieren.
Sobald ein Projekt fertiggestellt ist und aus der aktiven Projektplanung herausfällt, wird ein eingefrorenes Projekt aufgetaut oder aktiviert.
Bei dieser Vorgehensweise ist das Schwerste für die meisten Unternehmen, die Anzahl aktiver Projekte dauerhaft auf dem niedrigeren Niveau zu halten. Allzu oft fallen sie in Zeiten von Stress auf ihre alten, ineffektiven Arbeitsweisen zurück. In dem Fall muss Disziplin wiederhergestellt werden, indem erneut ein Anteil der aktiven Projekte eingefroren wird.