Bereits 2011 hatte Eli Schragenheim in einem Experten Workshop1 im Rahmen des 12.Treffens der deutschsprachigen TOC-Experten, -Anwender und –Interessenten seine Methode „Learning from Experience“ vorgestellt. Damals empfahl er Unternehmen, aus Erfahren zu lernen, indem sie den Grund für ein überraschendes Ereignis genauestens analysieren. Ein paar Jahre später präsentierte Eli in seinem Webinar2 (11. Mai 2013) neue Aspekte seiner Methode. Diese dreiteilige Blogserie stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus beiden Veranstaltungen vor.
Unternehmen, die ihre Mitarbeiter für ihre Handlungen „in die Verantwortung nehmen“, suchen, sobald ein Fehler begangen wird, einen Schuldigen statt der Ursache. Eine Kultur des “Vertuschens” und “Fehler Ignorierens” wird geschaffen, da die Mitarbeiter Angst davor haben, einen Fehler zuzugeben und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.
Die Konsequenz: das Unternehmen lernt NICHT aus seinen Erfahrungen!
Laut Eli ist auch der Prozess der Fehlersuche in vielen Unternehmen unfokussiert und langwierig. Oft werden ziellos Unmengen an Daten zusammengetragen. Die betroffenen Mitarbeiter werden zwar befragt, aber nicht aktiv an der Suche der Fehlerursache beteiligt. Dadurch wird eine schnelle Ursachenbehebung verzögert, denn die Mitarbeiter, die das meiste Wissen über den Vorfall selbst und über die Abwicklung in den Abteilungen haben, werden von der Fehlersuche ausgeschlossen. Häufig wird die erstbeste Erklärung akzeptiert oder einfach fortan das Gegenteil gemacht, anstatt die genaue Ursache zu ergründen.
Dies schadet dem Unternehmen erheblich, da immer wieder die gleichen Fehler begangen werden!
Eli erläutert in seinem Webinar und Workshop, dass Unternehmen einen strukturierten Analyseprozess benötigen, um schnell und nachhaltig Fehler zu beseitigen und aus Erfahren zu lernen. Er erklärt, dass ein Fehler immer auf eine operative Ursache zurückzuführen ist, die durch ein zugrundeliegendes fehlerhaftes Paradigma (Denkmuster) verursacht wird.
Neulich habe ich ein Unternehmen beraten, deren Mitarbeiter häufig Fehler in ihren täglichen Aufgaben machten. Das Unternehmen hatte, ohne die Ursache für die Fehler zu ergründen, Schulungen durchgeführt, um die Fehler zukünftig zu vermeiden. Die Fehlerquote blieb aber unverändert hoch.
Bei genauerer Analyse stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter Multitasking betrieben und sich daher nicht voll und ganz auf eine Sache konzentrieren konnten. Die operative Ursache für die hohe Fehlerquote war „Multitasking zuzulassen“ aber das ursächliche fehlerhafte Paradigma war „jeder muss immer beschäftigt sein“. Es reichte nicht aus, einfach Multitasking zu verbieten. Das fehlerhafte Paradigma musste angepasst werden, um die Fehler nachhaltig zu beheben. Gemeinsam mit dem Management und den Mitarbeitern entwickelten wir das neue Paradigma „Aufgaben und Projekte müssen ungehindert im Unternehmen fließen“. Daraus leitet sich eine neue Vorgehensweise für die Aufgabenbearbeitung ab: „Aufgaben müssen unterbrechungsfrei und so schnell wie möglich mit optimalem Ressourceneinsatz bearbeitet werden“. Sobald das neue Paradigma von den Mitarbeitern und dem Management verinnerlicht wurde, gab es automatisch kein Multitasking mehr. Die Mitarbeiter konnten sich auf eine Aufgabe konzentrieren und machten weniger bzw. keine Fehler mehr.
In jedem Unternehmen gibt es fehlerhafte Paradigmen! Auch in Ihrem!
(Böse) Überraschungen geben uns die Chance, diese aufzuspüren und anzupassen bzw. ein neues Paradigma zu entwickeln und dadurch Fehler nachhaltig zu beseitigen.
Eli empfiehlt folgende Vorgehensweise:
1. Schritt: Wähle ein geeignetes Ereignis und Analyseteam aus
1.1 Identifiziere das unerwartete Ereignis
Wir können nur aus (bösen) Überraschungen lernen, wenn wir diese identifizieren. Daher sollte im Unternehmen offen mit Fehlern umgegangen werden und regelmäßig überprüft werden, ob Erwartungen erfüllt wurden. Oft konzentrieren wir uns auf Sachen die schief gehen aber wir können auch etwas lernen, wenn wir positiv überrascht werden.Eli stellte in dem Experten Workshop folgendes Beispiel vor:
Ein Lebensmittelhersteller engagierte einen Spitzenkoch, um eine neue Gourmet Suppe zu kreieren. Im Geschmackstest erzielte die neue Suppe allerdings nur mäßige Durchschnittsnoten. Normalerweise werden solche Produkte nicht auf den Markt gebracht, doch das Management machte in diesem Fall eine Ausnahme und die Suppe wurde ein Riesenhit.
Kann das Unternehmen etwas aus dieser positiven Überraschung lernen?
Auf jeden Fall!
Daher werden wir das Beispiel später genauer beleuchten.
1.2 Was erwarten Sie aus dem strukturierten Analyseprozess zu lernen?
Wichtig bei der Analyse von unerwarteten Ereignissen ist aber auch hier: Fokus bewahren! Wenn man versucht aus Allem zu lernen, lernt man nichts. Nur (böse) Überraschungen mit schwerwiegenden Auswirkungen sind es wert, im Detail analysiert zu werden!1.3 Stell das Team zusammen, das die Analyse durchführen wird
Die Analyse sollte durch ein Team und nicht durch Einzelpersonen durchgeführt werden. Das minimiert die Gefahr, dass die erstbeste Erklärung akzeptiert wird. Erfahrungsgemäß haben unterschiedliche Teammitglieder unterschiedliche “erstbeste Erklärungen” – das schafft die Grundlage für Diskussion und eine tiefgreifende Analyse. Zudem “müssen” sich die Teammitglieder gegenseitig mittels logischer “Ursache-Wirkung” Argumente überzeugen.
In der Praxis hat sich ein Team aus 5 Mitarbeitern bewährt, mit mindestens einer Person, die direkt in das unerwartete Ereignis involviert war. Denn die Betroffenen haben in der Regel die wichtigsten Kenntnisse und Intuition, um das Ereignis genauestens zu analysieren. Indem wir die Betroffenen zu Beteiligten machen, zeigt das Management, dass es nicht die Absicht verfolgt, jemanden die Schuld in die Schuhe zu schieben. Gleichzeitig besteht die Organisation aber darauf, dass der Fehler ausfindig und korrigiert wird.
Die Suche nach dem Fehler und nicht nach einem Schuldigen muss unbedingt im Vordergrund stehen! Selbst wenn ein Schuldiger identifiziert werden sollte, darf dieser Mitarbeiter nicht bestraft, sondern muss dabei unterstützt werden, diesen Fehler in Zukunft nicht mehr zu begehen.
Das Ziel dieser Methodik ist die richtige Lektion aus einen Fehler zu lernen und nicht die Schuldzuweisung. Wenn die in dem unerwarteten Ereignis involvierten Mitarbeiter an der Suche und Behebung des Fehlers beteiligt werden, vermindert dies auch erheblich ihr Schuldgefühl und stärkt ihr Selbstwertgefühl. Somit können sie in Zukunft unbelastet ihre Arbeit fortsetzen.
Neben den betroffenen Mitarbeitern sollten auch Personen Teil des Teams sein, die mit dem Ereignis nichts zu tun hatten. Ein Grund dafür ist, dass der “Blick von außen” schneller auf fehlerhafte Paradigmen stoßen kann, als der Blick der betroffenen Mitarbeiter. Zudem zwingt es die Teammitglieder, die einem bestimmten Fachgebiet angehören, fachliche Vorgänge einfach und verständlich zu erklären. Das führt oftmals dazu, dass Fehler in komplizierten Vorgängen leichter gefunden werden.
Erfahren Sie im nächsten Artikel dieser dreiteiligen Blogserie, wie Sie das fehlerhafte Paradigma schnell mittels einer strukturierten Ursachenanalyse identifizieren und anpassen bzw. ein neues Paradigma entwickeln, um Fehler nachhaltig zu beseitigen.
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1: Eli Schragenheim, Experten Workshop “Learning from Experience – Wir lernen aus Erfahrung“, 04.12.2011
2: Eli Schragenheim, Webinar „Learning from ONE event – A `learning from experience` methodology”, 11. Mai 2013