
Zwischenmenschliche Beziehungen sind Teil des ganzheitlichen Ansatzes im Management von Unternehmen
Gastebeitrag von Eli Schragenheim
Erfolgreiches Management heißt, dem Unternehmen Ergebnisse zu liefern. Der Geschäftsführer hat also in erster Linie die Aufgabe, die diversen organisatorischen Bereiche wie Vertrieb, Finanzwesen, F+E, Betrieb usw. so zu integrieren, dass die für das Unternehmen optimale Leistung erreicht wird. Dies ist der ganzheitliche Ansatz: die einzelnen Teile sind Teil eines Ganzen.
Welche Rolle spielt die Personalabteilung bei diesem Integrationsbedarf?
Jeder Bereich des Unternehmens besteht – neben den Maschinen – aus Menschen, von denen erwartet wird, dass sie auf die globalen Ziele hinarbeiten. Jede eingesetzte „Ressource“ – ob Mensch oder Maschine – hat eine bestimmte Anzahl Fähigkeiten und ein gewisses Leistungsvermögen – diese begrenzen, wie viel sie in einem bestimmten Zeitraum leisten kann. Bei den Menschen sind sowohl Fähigkeiten als Leistungsvermögen viel schwieriger zu definieren und zu messen als bei anderen Ressourcen wie Maschinen, Platz oder Geld. Doch gerade deren Grenzen haben einen beachtlichen Einfluss auf die Leistung des Unternehmens.
Eine weitere Besonderheit des Menschen ist, dass Faktoren wie Motivation eine große Rolle dabei spielen, ob sie ihre Fähigkeiten voll einsetzen. Trifft zum Beispiel ein Vertriebsmitarbeiter auf einen potentiellen Neukunden, sind auch die besten Verkaufstechniken wirkungslos, wenn er sie nicht zu vollem Effekt ausspielt. Hat er einen Anreiz dazu? Gibt er auch sein Bestes, wenn er keine Provision erhält? Ähnliche Situationen ergeben sich, wenn eine Einkäuferin Preise und Bedingungen mit einem Lieferanten verhandelt, oder ein Werkmeister eine Anfrage bekommt, einen Auftrag zu beschleunigen. In all diesen Fällen ist das Unternehmen darauf angewiesen, dass den Mitarbeitern persönlich an seinem Erfolg gelegen ist.
Menschen können dem Unternehmen auch unbeabsichtigt Schaden zufügen, etwa durch mangelnde Schulung oder Unfähigkeit, ihre Aufgabe richtig zu erledigen. Ein weiterer Faktor sind fehlerhafte Prozeduren oder Kennzahlen, die Mitarbeiter dazu antreiben, etwas zu tun, das dem Unternehmen unterm Strich schadet. TQM, Lean, Six Sigma und TOC haben alle unterschiedliche Strategien, um derartige Probleme zu lösen.
In seltenen Fällen – die allerdings großen negative Auswirkungen haben können – handeln Mitarbeiter absichtlich, um die Leistung des Unternehmens zu beeinträchtigen. Das kann darin bestehen, das Notwendige nicht zu tun, oder sogar konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Leistung des Unternehmens zu sabotieren. Es liegt definitiv in der Verantwortung des Top-Managements, derartige Situationen zu vermeiden, die Emotionen wie Wut erregen und Win-Win-Lösungen unmöglich machen.
In den allermeisten Fällen erledigen Mitarbeiter ihre Arbeit genau so, wie es ihnen von ihren Vorgesetzten gesagt wurde. Solange das Top-Management seine Aufgabe gut macht und alle Einzelteile so integriert, dass sie an einem Strang ziehen, sind die Ergebnisse auch positiv. Geschieht das nicht, schaden die Mitarbeiter dem Unternehmen, gerade weil sie Anweisungen befolgen.
Können Mitarbeiter über ihren Job hinaus bedeutenden Mehrwert bringen?
Von hochgestellten Mitarbeitern, wie Vorstandsmitgliedern oder hochqualifizierten Fachkräften, wird natürlich erwartet, dass sie bedeutende Beiträge leisten, die weit über ihre eng definierte Tätigkeit hinausgehen. Doch die Frage stellt sich: welche Erwartungen werden an den Rest der Mitarbeiter gestellt?
Es ist durchaus vorstellbar, dass auch „einfache“ Mitarbeiter wissen, wie sie dem Unternehmen zu besserer Leistung verhelfen können. Doch in den meisten Fällen sagen sie nichts, davon ausgehend, dass niemand ihnen zuhören oder ihre Vorschläge schätzen wird. Viele Angestellte sind der Meinung, es sei eine Verschwendung ihres Intellekts, ihrem Arbeitgeber über ihre strikte Aufgabenstellung hinaus zu helfen. Es ist eine Gleichgültigkeitserklärung:
„Dies ist nur mein Job, nicht mein Leben. Ich werde meine geistigen Fähigkeiten und Mühen nicht an ein Unternehmen verschwenden, das mich nicht zu diesem Zweck angestellt hat.“
Für das Top-Management bedeutet dies, dass Mitarbeiter zum Problem werden können – entweder, weil ihnen die nötigen Fähigkeiten fehlen, oder weil sie nicht motiviert genug sind, für das Unternehmen ihr Bestes zu geben.
Henry Camp ist Geschäftsführer der Shippers Supply Inc. und Eigentümer vier weiterer Unternehmen. Er führte ein TOCICO-Webinar über die 10 notwendigen Schritte, um proaktive Mitarbeit seiner Angestellten zu erreichen. Er unterstrich dabei, dass man stets bereit sein muss, die Art, wie das Unternehmen funktioniert, radikal zu verändern.
Der Fokus des Webinars lag darauf, was das Management tun soll, um zu gewährleisten, dass diese Gleichgültigkeit nie Einzug findet, und so Schäden zu verhindern, die durch absichtliche Handlungen frustrierter Mitarbeiter entstehen.
Das vollständige Webinar ist auf der TOCICO-Webseite einzusehen. Eine etwas kürzere Alternative bietet dieser 30-minütige Vortrag auf YouTube.
Doch wie ist es mit einem Geschäftsführer, der entweder neu beim Unternehmen ist oder bisher nicht allzu sehr auf die Kultur zwischenmenschlicher Beziehungen geachtet hat und nun feststellt, dass es höchste Zeit wird, eine Diagnose über den derzeitigen Zustand zu stellen?
Wie viel Aufwand sollte die Führung darauf verwenden, Probleme mit der Motivation ihrer Mitarbeiter zu diagnostizieren und zu lösen?
Ziel ist es, zu bestimmen, inwiefern die derzeitige Unternehmensleistung ernsthaft durch das bestehende Misstrauen zwischen Angestellten und Management beeinträchtigt wird. In der Terminologie der Theory of Constraints lautet die Frage:
Sind zwischenmenschliche Beziehungen das Kernproblem des Unternehmens?
Der einfachste – aber nicht unbedingt der beste – Weg ist, auf organisatorisches Verhalten spezialisierte Berater einzuladen, um eine Diagnose zu erstellen. Dies führt meist zu mangelndem Fokus, da oft einfach eine lange Liste zu behebender Probleme erstellt wird. Was davon nun wirklich den Durchsatz beeinträchtigt, wird dabei selten definiert.
Es gibt zwei ausschlaggebende organisatorische Flows oder Flüsse, die bestimmen, wie schnell das Unternehmensziel erreicht wird. Der erste ist der aktuelle Wertefluss zu den Kunden.
Der zweite ist der Fluss der Initiativen, um diesen Wertefluss zu verbessern. Die beschriebenen Verhaltensprobleme können den Initiativenfluss blockieren und damit dem Ruf des Unternehmens Schaden zufügen. Es fehlt an innovativen Ideen, weil die Mitarbeiter nicht die nötige Motivation haben.
Das chronische Problem der Unternehmenskultur liegt nicht bei den einzelnen Mitarbeitern. Dergleichen Probleme sind meist leicht zu beheben. Viel schwieriger ist es, wenn der Großteil der Mitarbeiter Gleichgültigkeit gegenüber den Zielen und dem Wohlergehen des Unternehmens empfinden.
Können wir eine rationale Ursache-Wirkungs-Analyse benutzen, um bestehende und aufkommende Verhaltensmuster zu diagnostizieren und einen effektiven Win-Win finden?
Es wird oft behauptet, Menschen handelten irrational, wodurch eine Analyse mit rationalen Mitteln sinnlos sei. Das Argument ist, dass wir Menschen meist auf Basis von Emotionen und Instinkten handeln, was zu angeblich negativen Konsequenzen für das Individuum führt und damit irrational erscheint. Die Handlungen Krimineller zum Beispiel führen dazu, dass sie irgendwann im Gefängnis landen. Doch die Frage ist: ist die Entscheidung, ein Verbrechen zu begehen, aus der Perspektive der kriminellen Person tatsächlich irrational? Entscheiden sich Kriminelle für die sofortige Bedürfnisbefriedigung, auch wenn sie die potentiellen negativen Konsequenzen durchaus sehen? Möglicherweise erscheint ihnen ein Gefängnisaufenthalt weniger negativ als anderen Leuten
Ist menschliches Verhalten oft unvorhersehbar?
Ist das Verhalten das Ergebnis bekannter Ursachen, etwa dem Wunsch nach Dominanz über andere, dann sollte eine logische Analyse auch Verhalten prognostizieren, das mit der Realität übereinstimmt. In den meisten Fällen können wir das Verhalten von Leuten, die wir gut genug kennen, korrekt vorhersagen. Dies trifft auch auf Manager in Bezug auf ihre Mitarbeiter zu und umgekehrt.
Wenn negatives Verhalten der Angestellten vorhersehbar ist, dann würde dies auf die eine Seite eines Kernkonflikts gehören. Wenn das Management zum Beispiel seinen Angestellten misstraut, dann könnte es vermuten, dass sie bei einer vorgeschlagenen Veränderung nicht mitmachen werden. Dieser Konflikt würde wie folgt aussehen:
Nehmen wir an, Gleichgültigkeit hat zahlreiche unerwünschte Effekte, die das Potential des Unternehmens, mehr vom Ziel zu erreichen, reduzieren. Bedeutet das, die Gleichgültigkeit ist das Kernproblem? Oder ist die Gleichgültigkeit ein Symptom, verursacht von einem anderen Problem, das mehrere weitere unerwünschte Effekte erzeugt?
Meist ist die Ursache von Gleichgültigkeit, dass das Management seinen Mitarbeitern nicht traut, oder es ist schlechte Unternehmensleistung, welche die Moral der Mitarbeiter und ihr Vertrauen ins Management beeinträchtigt. Beide Ursachen haben weitere negative Auswirkungen im Unternehmen. Alles überwachen zu wollen, hat einen riesigen negativen Effekt auf Managementaufmerksamkeit und entsprechend auch auf das Wachstumspotential des Unternehmens.
Dieses Grundvertrauen der Mitarbeiter, sowie ein Gefühl der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit, sollten vom Management sorgfältig gepflegt werden. Ändert sich etwas in diesem gegenseitigen Vertrauen zwischen Management und Mitarbeitern, dann werden neue unerwünschte Effekte erkennbar sein, die auf eine solche Änderung hinweisen. Eine Verringerung der Liefertreue könnte ein solches Signal sein. Auch vermehrt gebrochene Zusagen an Kunden, reduzierte Qualität oder ein Anstieg der Kundenbeschwerden sollten sorgfältig geprüft und überwacht werden. Bestätigt sich eine derartige Veränderung des gegenseitigen Vertrauens, muss als nächstes analysiert werden, was mit diesem empfindlichen Gleichgewicht passiert ist. Es ist an diesem Punkt sehr wichtig, die Ursachen menschlichen Verhaltens zu verstehen.
Werden keine derartigen Signale beobachtet, dann sollte die Aufmerksamkeit des Managements anderswo liegen – auf dem wahren Engpass des Unternehmens. Mehr Information hierzu finden Sie im Beitrag „Unternehmensengpass Management Aufmerksamkeit“.
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Quellen:
1: https://elischragenheim.com/