
Gastbeitrag von Eli Schragenheim
Ein strategisches Dilemma – Beispiel für einen Basiskonflikt im Rahmen einer bedeutenden Veränderung
Das Unternehmen GoodChoice ist eine Kette kleinerer Supermärkte, die einige Filialen in einer Großstadt führt. Gegründet als GoodChoice Bäckerei vom Vater des Eigentümers Marcello, wurde sie von diesem weiter aufgebaut und expandiert. Heute beträgt der Gesamtwert der GoodChoice Kette – mitsamt der Bäckereisparte, die eine Reihe an Brotprodukten innerhalb der Supermärkte verkauft – mehr als das Zehnfache des ursprünglichen Geschäfts.
Hat Marcello Grund, stolz auf seine bisherige Leistung zu sein?
Marcello möchte mit seinem Unternehmen auf jeden Fall gerne weiter wachsen. Im harten Wettbewerb mit den drei anderen Supermarktketten vor Ort – allesamt größer als Goodchoice – schafft er nur relativ niedrige Profitmargen von etwa 1,4% des Umsatzes. Der Konkurrenzkampf zeigt sich bei jeder Werbeaktion und jeder Verhandlung mit Lieferanten. Im Ergebnis zahlt GoodChoice seinen Lieferanten höhere Preise und muss seinen Kunden gleichzeitig niedrigere bieten als die Konkurrenz.
Die von GoodChoice aggressiv verbreitete Werbebotschaft lautet, dass die Waren in jeder einzelnen Filiale sorgsam ausgewählt und von garantiert hoher Qualität sind. Jeder GoodChoice-Laden führt zwischen 1.500 und 2.200 Artikel. Die Läden befinden sich alle innerhalb der Stadtgrenzen und haben daher knappe Regalfläche und wenig Parkplätze. Eine typische Filiale der Konkurrenz, die meist am Stadtrand liegen und wo Parken kein Problem ist, führt zwischen 4.000 und 12.000 Artikel.
Seine drei größeren Konkurrenten, die aber alle nicht Marktführer sind, vertreiben jeweils eine Eigenmarke mit einer breiten Produktpalette, deren Preise im Durchschnitt 15% unter denen des Marktführers liegen. Marcello hat bereits mit verschiedenen Lieferanten Verhandlungen begonnen, um ebenfalls eine GoodChoice-Eigenmarke zu lancieren. Und er möchte einen anderen Weg gehen als seine Konkurrenten und seinen Preis ca 4% über dem des Marktsführers ansiedeln.
Die Grundlage seines höheren Preises basiert auf dem Konzept, dass GoodChoice seinen Kunden eine absolute Garantie für die Qualität der Marke bietet. Er überlegt sogar, Kunden zu erlauben, eine Rückerstattung des Preises für bereits geöffnete Packungen zu fordern, falls sie nicht vollkommen zufrieden sind. Sein Team steht dem sehr skeptisch gegenüber, da die Mitarbeiter befürchten, dass sich zu viele Kunden Rückerstattungen erschwindeln werden.
Was denken Sie dazu? Sollte GoodChoice die Veränderung mit der neuartigen Eigenmarke implementieren? Soll GoodChoice einen höheren Preis als der Marktführer verlangen und dafür eine besonders starke Garantie bieten? Oder doch lieber dem Vorbild der Konkurrenten folgen?
Lohnt es sich, mit lang etablierten Erwartungen zu spielen?
Supermarkt-Eigenmarken sind allgemein dafür bekannt, niedrigere Preise zu bieten. Hier höhere Preise zu verlangen als bekannte Markennamen, läuft dieser gängigen Intuition zuwider und ist daher riskant. Mit wenig Regalfläche und geringen Parkmöglichkeiten bedient GoodChoice ein Marktsegment, in dem niedrige Preise für viele Kunden ausschlaggebend sind. Diese Einschränkungen zwingen GoodChoice dazu, eine limitierte Auswahl klug gewählter Endartikel anzubieten. Jeder einzelne Artikel muss von hoher Qualität sein, denn die meisten Kunden können es sich nicht leisten, beim Herumexperimentieren Geld zu verschwenden. Eine teure Eigenmarke zu lancieren, scheint mir in diesem Fall die falsche Idee. Nicht jede Differenzierung hat die gleichen Erfolgschancen.
Es ist gut und wichtig, hervorzuheben, dass nur qualitativ hochwertige Produkte für die Eigenmarke genutzt werden. Damit kann man sich erlauben, die Produkte der Marke mit einer verhältnismäßig geringen Preisreduktion anzubieten. Die Frage ist allerdings: wie kann man dieses Engagement zu hoher Qualität glaubhaft verkaufen? Schließlich kann jeder behaupten, Produkte seien sorgsam ausgewählt und von bewiesen hoher Qualität. Würden Sie einer solchen Aussage ungeprüft Glauben schenken? Hier kann die Idee einer sehr großzügigen Erstattungsregelung ins Spiel kommen: so verliert Experimentieren für den preisbewussten Kunden sein Risiko. Das trägt nun allerdings das Unternehmen!
Würde eine Regel, selbst geöffnete Packungen zurückzunehmen, zu viele Rückerstattungen zur Folge haben? Ich bezweifle, dass sehr viele Leute mehrmals ihr Geld zurückfordern würden, aber das ließe sich sehr schnell prüfen. Wird jede Erstattung erfasst und die Kunden unterschreiben gleichzeitig eine Unzufriedenheitserklärung, dann müsste ein Kunde schon sehr gute Argumente parat haben, das gleiche Produkt zweimal zurückzubringen.
Meine Empfehlung ist: GoodChoice treibt die Einführung einer Eigenmarke weiter voran, siedelt diese aber leicht unter den regulären Preisen des Marktführers an und geht zusätzlich eine Qualitätsverpflichtung ein, die durch eine großzügige Erstattungsregelung untermauert wird.
Kann GoodChoice gar noch weiter gehen?
Tatsächlich möchte GoodChoice die hohe Qualität aller angebotenen Produkte garantieren.
Es ist sicherlich wichtig zu wissen, welche Produkte die Kunden enttäuschen und welche wirklich gern gekauft werden. Der allgemein übliche Weg, den Wert von Produkten zu erfassen, ist die genaue Überwachung der Verkaufstrends. Doch durch die hohe Geschwindigkeit neuer Produkteinführungen und die häufigen Werbeaktionen im Einzelhandel ist eine solche Analyse zu langsam, um rasch und proaktiv auf den Markt reagieren zu können.
Wie also kann eine Supermarktkette schnell und zuverlässig Feedback von seinen Kunden erhalten?
Reklamationen und Erstattungsforderungen sind ein Weg, unbefriedigende Produkte (und fehlerhafte Prozesse) zu identifizieren. Doch Kunden füllen ungern lange Fragebögen aus und geben auch nicht immer an, was sie wirklich denken.
Hier eine Idee, die ich neulich von British Airways abgeschaut habe: ich bekam ein „Goldenes Ticket“, mit dem ich hervorragenden Service auszeichnen konnte, indem ich es dem British-Airways-Mitarbeiter meiner Wahl aushändigte.
Mein Vorschlag wäre, diese Idee für das GoodChoice-Modell umzuwandeln – oder jeglichen anderen Supermarkt, der mehr darüber erfahren möchte, wie und wieso Kunden bestimmte Produkte mögen (oder nicht):
Jeder Kunde, der den Laden betritt, erhält ein goldenes Ticket und eine „rote Karte.“ Das Goldene Ticket bedeutet „hervorragendes Produkt“ und die rote Karte „minderwertig“. Der Kunde kann (muss aber nicht) den Namen eines Produktes auf jedes der Tickets schreiben und sie an der Kasse oder in einer Box abgeben.
Was denken Sie? Würde diese Art Feedback funktionieren?
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Quellen:
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