
(Isaac Newton)
Eli Goldratt, der Begründer der Theory of Constraints (TOC), pflegte zu sagen „Never say I know“ und forderte Menschen dazu auf, erstmal alles in Frage zu stellen, Annahmen zu hinterfragen, Paradigmen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, mit dem Ziel, sich selbst und das eigene Unternehmen kontinuierlich zu verbessern.
„Je mehr man schon weiß, desto mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.“
(Friedrich Schlegel)
Auch Eli Goldratt wies darauf hin, dass nur, wenn man sich Unwissenheit eingesteht und dieser auf den Grund geht, kann man bestehendes Wissen weiterentwickeln oder Neues lernen.
Er entwickelte deshalb einen Prozess, um die Beschränkungen der Theory of Constraints (TOC) und jedes anderen Wissensbereiches (z.B. Change Management, Unternehmenskultur, … aber auch Bildung, Gesundheitswesen, …) zu identifizieren, zu überwinden, um neues Wissen zu entwickeln. Er nannte diesen Prozess „Standing on the Shoulders of Giants“ – auf den Schultern von Riesen stehen, um zu verdeutlichen, dass man die Experten und deren Theorien in einem bestimmten Wissensbereich identifiziert und auf deren Arbeit aufbaut.
1. Identifiziere einen „Riesen” und keine Nebensächlichkeit.
- Lasse dich von deiner Intuition leiten.
- Das Thema muss dir wichtig sein.
2. Identifiziere die Größe des Bereichs, der von dem Riesen nicht abgedeckt wurde.
- Die Realität zeigt dir, dass viel mehr getan werden kann.
- Das Thema muss dir wichtig sein.
3. Steige auf die Schulter des Riesen.
- Nehme die historische Perspektive ein und verstehe die Lösung des Riesen besser als er selbst.
4. Verstehe den konzeptionellen Unterschied zwischen der Realität, die durch den Riesen so dramatisch verbessert werden konnte und dem davon unberührten Bereich.
5. Identifiziere die falsche Annahme.
6. Führe die vollständige Analyse durch, um das Kernproblem, die Lösung usw. zu bestimmen.
Eli Goldratt hat diesen Prozess erfolgreich auf die TOC angewandt und dadurch die „Engines of Disharmony“ in Unternehmen identifiziert und einen Prozess entwickelt um diese in „Engines of Harmony“ umzuwandeln. In der Blogserie „Engines of Disharmony“ habe ich diesen Prozess bereits ausführlich beschrieben.
Aufbauend auf dem Riesen TOC (#1) identifizierte Eli Goldratt1 den Bereich im Unternehmen, der durch die TOC noch nicht abgedeckt wurde: zwischenmenschliche Beziehungen im Unternehmen (#2). Er verglich (#3) Unternehmen, die sich kontinuierlich verbesserten (rote Kurve) und nachhaltig florierten mit Unternehmen, die Veränderungen vermieden und nur Verbesserungen durchführten, wenn es fast schon zu spät war (grüne Kurve). Stagnation oder der Untergang des Unternehmens waren die Folge. Anfänglich riet Eli deshalb Unternehmen, die grüne Kurve zu verlassen und kontinuierliche Verbesserung anzustreben. Sein Analyseprozess war aber noch nicht beendet. Er wollte herausfinden, warum sich so viele Unternehmen auf der grünen Kurve befanden.
Eli beobachtete, dass die Mitarbeiter der Unternehmen, die sich auf der grünen Kurve befanden, (teils veraltete) Regeln stur befolgten und eine Trägheit im gesamten Unternehmen vorherrschte. Damit hatte er den ersten „Engine of Disharmony“ gefunden.
Gleichzeitig realisierte Eli, dass Unternehmen sowohl Wachstum als auch Stabilität benötigten und benannte die rote und grüne Kurve entsprechend in Growth/Stability um. Eli hatte den konzeptionellen Unterschied (#4) identifiziert und zwar, dass die grüne Kurve als solide Grundstruktur im Unternehmen vorhanden sein muss, um nachhaltig zu florieren.
Abbildung: Rote Kurve und Grüne Kurve2
Er erkannte, das Harmonie, obwohl sie nicht (direkt) messbar ist, sehr wichtig für das Unternehmen ist. Er hatte die falsche Annahme (#5) identifiziert, dass etwas was nicht (direkt) messbar ist wie z.B. Harmonie im Unternehmen nicht wichtig sei.
Eli kam auch zu der Überzeugung, dass Unternehmen Unterstützung benötigten, um Harmonie im Unternehmen zu erzeugen. Er identifizierte die restlichen „Engines of Disharmony “ und den Prozess um diese in „Engines of Harmony“ umzuwandeln (#6). Mehr dazu in diesen beiden Artikeln.
Eli`s Verständnis der Roten und Grünen Kurve bevor und nachdem er den „Standing on the Shoulders of Giants“ Prozess durchgeführt hatte:
1990-2000 | Ab 2007 |
---|---|
Rote Kurve: Kontinuierliche Verbesserung | Rote Kurve: Wachstum |
Grüne Kurve: plötzliche, drastische, sprunghafte Verbesserungen, die Stagnation oder den Untergang des Unternehmens zur Folge haben. | Grüne Kurve: Stabilität |
Elis Ratschlag: Verlasse die Grüne Kurve und strebe die Rote Kurve an. | Elis Ratschlag: Unternehmen benötigt beides, Wachstum und Stabilität, um nachhaltig zu florieren. |
Nassim Taleb, Autor des Buches „Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen” stellt Elis Annahme, dass ein Unternehmen Stabilität benötigt, um nachhaltig zu florieren, übrigens wieder in Frage. Er ist davon überzeugt, dass ein Unternehmen „antifragil“ sein muss. D.h. das Unternehmen verkraftet unerwartete Ereignisse nicht nur gut, sondern profitiert sogar davon. Ich habe Talebs Hypothese in den Blogs „Antifragilität: Weshalb Systeme antifragil statt nur robust sein sollten“ , „Antifragilität: auf alles vorbereitet“und „Das anti-fragile und nachhaltig florierende Unternehmen“ bereits näher erläutert.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass sich Wissen ständig weiterentwickelt.
Ich selbst habe den „Standing on the Shoulders of Giants“ Prozess angewandt, um die Beschränkungen des (Multi-) Projektmanagements und Change Managements aufzuzeigen und neue Methoden zu entwickeln. Eine ausführliche Darstellung finden Sie dazu in meinem Fachbuch Projects that Flow, in welchem ich zeige, dass etablierte Kennzahlen und Managementmethoden Handlungs- und Entscheidungskonflikte erzeugen, die Projekte ausbremsen und ein radikal anderes Vorgehen erforderlich ist. Die wichtigsten Themen daraus sind:
- Fokus auf Geschwindigkeit, auf ProjectsFlow
- Einfache, engpassorientierte Steuerung mit robusten Prioritäten
- Unternehmens- statt Bereichsoptimierung
In meinem Buch erfahren Sie wie Sie
- mehr Projekte mit den gleichen Ressourcen realisieren,
- alle Projekte zuverlässig liefern
- und die Projektlaufzeiten deutlich verkürzen können.
Durch die fokussierte Anwendung des o.g. Prozesses entstand:
QuiStain®able Change
Veränderungen in Organisationen dauern oft sehr lange. Zudem benötigen Change-Prozesse viel Aufwand und sind – trotz aller Bemühungen – meist nur wenig wirksam und kaum nachhaltig. Stellt sich die berechtigte Frage: Muss das wirklich so sein und bleiben? Oder gibt es eine Methode, Veränderungen in Unternehmen schneller und anhaltend zu steuern?
Jedes Unternehmen hat in seiner Geschichte bereits zahlreiche Veränderungen durchlaufen. Aufgrund persönlicher Erlebnisse glauben viele Führungskräfte zu wissen: Bis sich die Organisation wirklich verändert hat, vergehen Jahre. Erfahrungswerte zeigen dagegen, dass große Veränderungen sehr schnell realisiert werden können. Ebenso schnell werden in der Folge davon erhebliche Verbesserungen bewirkt. Warum und wie das möglich ist, zeigt QuiStain®able Change.
Quick: Durch konsequente Fokussierung werden ungeahnte Reserven frei. Dies stärkt das Vertrauen in das neue Vorgehen. Die „schwere“ Phase gibt es dann gar nicht.
Sustainable: Die Veränderung hat den Zweck, einen operativ wirksamen Regler zu installieren, der sicherstellt, dass der Engpass nie überlastet wird, damit sich das System kontinuierlich verbessern kann.
Wie Sie sehen, ist die Weiterentwicklung von Wissen ganz leicht.
Sie können das auch!
Trauen Sie sich!
Wenden Sie den „Standing on the Shoulders of Giants“ Prozess auf Ihre persönlichen Riesen an und entwickeln Sie Wissen weiter.
Ich freue mich über Ihre Kommentare, Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema.
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Quellen:
1: vgl. Eliyahu M. Goldratt: Never Say I know, TOCICO Präsentation, 2011
2: vgl. Eliyahu M. Goldratt: Never Say I know, TOCICO Präsentation Folie 2 und 4, 2011