In Zeiten von Stress zieht sich der Mensch gern in seine ‘Komfortzone’ zurück
Als Experten für die Theory of Constraints (TOC) und Critical Chain Projektmanagement (CCPM) sind wir es gewohnt, dass in jedem Team ein paar Leute Widerstand gegen die Umsetzung der TOC- und CCPM-Methoden aufbauen – wir stellen uns sogar von vorneherein darauf ein.
Denn in den meisten Fällen wird zumindest ein Element unserer TOC- oder CCPM-Lösungen der im Unternehmen üblichen Art widersprechen, wie ‚Erfolg‘ definiert wird, wie gearbeitet wird oder wie Leistung gemessen wird.
Zu Beginn ist dieser Widerstand ganz natürlich, schließlich stellen wir die bisher gültige Arbeitsweise in Frage. Veränderung ist immer ein schwieriger Prozess, selbst in flexiblen Unternehmen. Uns ist bewusst, dass die Umsetzung der TOC-Methoden einen Veränderungswillen voraussetzt. Nicht umsonst bezieht sich der letzte der Fünf Fokus-Schritte der TOC auf die Notwendigkeit, zu verhindern, dass Trägheit zum Engpass wird.
Manchmal jedoch geht der Widerstand gegen Veränderungen weiter als einfache Trägheit. Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, dass einige Mitarbeiter in ihre Gewohnheiten aus den Zeiten vor TOC und CCPM zurückfallen.
Selbst wenn unsere Veränderungen sehr erfolgreich sind und an der Wirksamkeit der TOC- und CCPM-Methoden kein Zweifel bleibt, ist dies manchmal schwer zu vermeiden. Ich erinnere mich an ein CCPM-Projekt, wo wir ein bestimmtes Design-Team als den Engpass des Unternehmens identifiziert hatten.
Wir implementierten eine Reihe von Strategien, um:
- den Engpass auszunutzen (Projekte einfrieren, Anzahl aktiver Projekte begrenzen, Multitasking reduzieren),
- alles andere dem Engpass unterzuordnen (Designressourcen aus anderen Bereichen des Unternehmens oder des Konzerns ausleihen, weniger wichtige Aufgaben anderen Abteilungen zuordnen),
- den Engpass zu erweitern (Genehmigung einholen, im Team zusätzliche Mitarbeiter einzustellen)
Sofort zeigten sich Verbesserungen. Im folgenden Jahr waren der Flow der Arbeit durch den Engpass und der Gesamtumsatz dank dieser Maßnahmen bedeutend angestiegen – und das, obwohl im als Engpass identifizierten Team weniger Leute arbeiteten (die Genehmigung zur Einstellung neuer Mitarbeiter ließ auf sich warten; zusätzlich hatten mehrere Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder waren langfristig krankgeschrieben).
Wir hatten also beeindruckende Resultate erzielt und am Ende unserer Beratungsarbeit das Gefühl, den Grundstein für kontinuierliche Verbesserung gelegt zu haben. Die Theorie hatte sich bewiesen und die Resultate waren nicht zu bestreiten. Die Unternehmensführung war beeindruckt, die Mitarbeiter überzeugt. Alle waren mit Begeisterung dabei.
Doch als wir zu unserer nächsten geplanten Beratungsperiode ins Unternehmen zurückkehrten, waren wir schockiert von dem, was wir vorfanden.
Der Druck, alle offenen Projekte vor Jahresende zu beenden, zusammen mit weiteren Belastungen durch Abwesenheiten und mangelndem Willen, neue Leute einzustellen (oder auch nur verlorene Mitarbeiter zu ersetzen), hatten den Enthusiasmus im Unternehmen abgeschwächt. Sobald sie sich unter großem Stress befanden, hatten die Mitarbeiter die Veränderungen rückgängig gemacht, die so beeindruckende Ergebnisse geliefert hatten, und waren zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt.
Dies ist anscheinend kein ungewöhnliches psychologisches Phänomen: Unter Druck kehren Menschen zu dem zurück, was ihnen schon lange vertraut ist – selbst wenn das bewiesenermaßen nicht funktioniert.
An allen Ecken und Enden war nun wieder Multitasking zu finden. Die verschiedenen Teams arbeiteten an viel mehr Projekten gleichzeitig, als was wir als Optimum festgelegt hatten. Projekte brauchten viel länger, als der Sicherheitspuffer vorsah. Anstatt Rückstände aufzuarbeiten, hatte der Druck, mehr Projekte fertigzustellen, dafür gesorgt, dass nun weniger Projekte beendet wurden, als noch drei Monate zuvor prognostiziert worden war.
Für uns bedeutete das einen frustrierenden Rückschritt; für den Kunden war es eine wichtige Lernerfahrung. Dank der Verbesserungen, die während der ersten drei Quartale erzielt worden waren, hatte der Standort immer noch 20-30% mehr Umsatz als im Vorjahr – es war also nicht alles verloren.
Aber wir stellten uns natürlich die Frage, wieviel die Verbesserung betragen hätte, wenn die Disponenten die Kontrolle über das Projektmanagement nicht wieder an sich hätten reißen können. Es mag verlockend sein, wieder in den alten Trott zurückzufallen, doch das Ergebnis spricht für sich.
Wir lernten dabei: volles Engagement ist entscheidend. Doch erfolgreiche TOC- oder CCPM-Implementierung braucht mehr als das. Sie verlangt Widerstandsfähigkeit unter Druck und die Erkenntnis, dass das, was Leute als ihre „Komfortzone“ empfinden, oft zu eher unkomfortablen Ergebnissen führt.