
Das Thema Multitasking wird in der öffentlichen Debatte immer aktueller: in unserer vernetzten Welt mit ihren ständigen Ablenkungen werden die schädlichen Effekte im Alltag für uns alle sichtbar. Kinder, die sich kaum mehr konzentrieren können, weil sie ständig hundert Dinge gleichzeitig tun, Erwachsene, die ihre Medien in 140-Zeichen-Häppchen konsumieren, um dann noch schnell vor dem Abendbrot eine E-Mail zu beantworten… all das macht uns so langsam klar, dass das lange so hoch gepriesene „Multitasking“ weit mehr Schaden anrichtet, als es in irgendeiner Weise unsere Effizienz erhöht.
So langsam sollten diese Lektionen auch ins Projektumfeld vordringen, wo Multitasking weiterhin weit verbreitet ist – meist gar aktiv gefördert wird. Dabei handelt es sich um einen der, wenn nicht gar den schädlichsten Faktor im Multiprojektmanagement überhaupt. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die die VISTEM gemeinsam mit Prof. Ayelt Komus in über 500 teilnehmenden Unternehmen durchgeführt hat. Einige Schlüsselerkenntnisse:
- Nur 2% der Befragten arbeiten nicht parallel an mehreren Aufgaben.
- Nur 10% der Befragten können Aufgaben ohne Unterbrechungen fertigstellen.
- Fast 70% der Befragten sind der Meinung, dass mindestens 30% der Projektlaufzeit eingespart werden können.
- (Mehr Ergebnisse und einen Downloadlink zur Studie finden Sie hier.)
Die Studie zeigte auch, dass Unternehmen mit einem hohen negativen Multitasking-Anteil durchschnittlich weniger erfolgreich sind. Zudem schätzten Teilnehmer mit einem hohen Multitasking-Anteil das Potential zur Reduzierung der Projektdurchlaufzeit höher ein, als Teilnehmer mit einem geringen Anteil. Multitasking ist somit einer der effektivsten Hebeln, an dem Sie ansetzen können, um bedeutende Verbesserungen in Ihrem Unternehmen zu erreichen.
Wenn Multitasking also durchgehen negative Effekte auf alle Beteiligten hat, wieso ist es dann so weit verbreitet und so schwer auszumerzen? Der Grund ist ein fehlerhaftes Paradigma und die daraus folgenden Kennzahlen:
Jeder muss ständig beschäftigt sein.
Diese Idee der Vollauslastung bestimmt die Arbeitsweisen vieler Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Leistungskennzahlen und Ressourcenpläne sind daran gebunden und bestimmen die Funktionsweise des gesamten Projektmanagements. Auch dies ging aus unserer Studie klar hervor: 80% der Befragten gaben an, dass „Vollauslastung“ als Kennzahl für Führungskräfte ausgegeben wird. Doch was auf den ersten Blick logisch erscheinen mag (eine nicht beschäftigte Ressource produziert schließlich nichts), hat weitreichende, negative Auswirkungen:
- Ressourcen sind nicht verfügbar, wenn sie gebraucht werden (da inzwischen in einem anderen Projekt eingebunden).
- Projekte sind chronisch unzureichend ausgestattet (dünne Ressourcenverteilung).
- Durch die ständigen Unterbrechungen brauchen Aufgaben und damit Projekte viel länger.
- Im Kampf um Ressourcen starten Projektleiter ihre Projekte so früh wie möglich und erhöhen die Arbeitslast nur weiter.
- Projekte werden verspätet fertiggestellt, sind teurer als geplant und liefern nur einen Teil der versprochenen Ergebnisse.
In seiner Bestrebung, mehr zu erledigen und seine Mitarbeiter so effizient wie möglich einzusetzen, schafft das Unternehmen im Endeffekt viel weniger als möglich und beeinträchtigt seine Zuverlässigkeit – mit entsprechenden Folgen für alle Beteiligten:
- Kunden leiden unter den verspäteten Projekten, fordern Vertragsstrafen ein und wandern ab.
- Zahlungen gehen später ein, Aufträge bleiben aus, Rendite und Liquidität des Unternehmens werden schlechter.
- Mitarbeiter leiden unter Stress und Burnout, verlieren das Vertrauen ins Unternehmen und schauen sich anderweitig um.
Wie also können Sie das Multitasking eliminieren, um diesem Abwärtstrend entgegenzuwirken? Die Lösung liegt auf der Hand: die Arbeitslast (auch Work in Process oder WiP) muss verringert, die Anzahl aktiver Projekte reduziert werden.
Damit wird der Teufelskreis durchbrochen, die Durchlaufzeiten sinken und Verspätungen nehmen ab, so dass schließlich alle Projekte schneller beendet werden können – auch jene, die Sie vorerst auf Eis gelegt haben! Um diesen Prozess erfolgreich durchzuführen. sind mehrere Faktoren notwendig:
- Fokus – entscheiden Sie, welche Projekte zu streichen sind. Meist bringen 20% der Projekte 80% des Durchsatzes (Pareto-Prinzip).
- Gute Vorbereitung – damit die Projekte voll ausgestattet starten können.
- Sicherheitspuffer in der Planung – um Ungewissheit und Überraschungen in der Umsetzung abfangen zu können.
- Klare Prioritäten – für alle sichtbar, um Taskwechsel (Multitasking) zu vermeiden.
- Ein robuster Steuerungsprozess – mit regelmäßigem Feedback zum Fortschritt aller Projekte in Ihrem Portfolio.
Auf diese Weise erhöht sich nicht nur die Zuverlässigkeit und Attraktivität Ihres Unternehmens, auch die Mitarbeiter sind zufriedener, wenn sie ungestört eine Aufgabe beenden können, anstatt ständig von mehreren Projekten gleichzeitig beansprucht zu werden.
In Hamburg findet am 5.9.2017 ein Seminar zum Thema Multitasking im Projektmanagement statt, in dem diese Punkte mehr im Detail vorgestellt werden.