
Im vorherigen Beitrag behandelten wir die Identifizierung des Problems, das es zu beseitigen gilt. Nun geht es an die eigentliche Lösung. Auch hier gilt es, mehrere Schichten des Widerstandes zu durchlaufen.
Schicht 2: Einigkeit über die Richtung zur Lösungsfindung
Wahrscheinlich haben Sie die Lösung für das Problem schon längst parat und freuen sich, sie nun, da alle das Problem erkennen, vorzustellen. Doch was, wenn die anderen eine andere Lösung bevorzugen? Auch hier prägt die eigene Erfahrung den Weg, den jeder einschlagen will: Der eine möchte mehr Leute einstellen, um die Produktion zu beschleunigen, der andere lieber die Prozesse verbessern.
Erstellen Sie eine Liste aller Kriterien, die eine alle zufriedenstellende Lösung erfüllen soll, z.B.:
- unerwünschte Effekte durch geeignete Maßnahmen eliminieren
- die Bedürfnisse aller Parteien erfüllen
- neue, negative Nebenwirkungen vermeiden
Dadurch erhalten Sie eine möglichst objektive, distanzierte „Lupe“, durch die Lösungsvorschläge beurteilt werden können, und vermeiden soweit wie möglich potentielle emotionale Konflikte.
Quelle: Uwe Techt, Dilemma-Wolke1
Setzen Sie anschließend die Konfliktwolke ein, um den in Schicht 1 identifizierten Konflikt darzustellen und die richtige Lösungsrichtung zu erarbeiten. Gehen Sie dabei systematisch vor und hinterfragen Sie nicht nur die Annahmen der anderen, sondern ebenso die eigenen!
Hier zeigt sich der wahre Segen fruchtbarer Zusammenarbeit. Das Endresultat dieser Analyse kann nur besser sein als die Ausgangssituation: auch Ihre eigene Lösung wird auf ihre Gültigkeit geprüft. Stellt sie sich als richtig und robust heraus, ist allen geholfen. Hat jemand anderes einen besseren Vorschlag, ist das ein genauso positives Resultat. Wichtig ist ja, dass die beste Lösung für alle gefunden wird: die wahre Win-Win-Lösung.
Schicht 3: Einigkeit, dass die vorgeschlagene Lösung tatsächlich die gewünschten positiven Effekte hervorbringt
Haben Sie im vorherigen Schritt die allgemeine Lösungsrichtung bestimmt, wird nun die vorgeschlagene Lösung im Detail ausgearbeitet. Der Zukunftsbaum erlaubt es Ihnen, alle Auswirkungen der Veränderungen darzustellen. Gleichen Sie ihn mit dem Gegenwartsbaum aus Schicht 1 ab, um zu bestätigen, dass durch die Lösung (die Injektion) tatsächlich alle Unerwünschten Wirkungen beseitigt werden und durch ihr Erwünschte Effekte (EE) ersetzt werden.
Quelle: Uwe Techt, Zukunftsbaum2
Während dieser Etappe kommen Einwände zur Sprache wie „die Lösung ist nicht ausreichend“ oder „dieser Aspekt wird nicht berücksichtigt“. Nehmen Sie solche Kommentare nicht persönlich, sondern sehen Sie sie als Chance, Ihre Lösung zu verbessern und zu stärken. Sollte es Ihnen nicht gelingen, alle Einwände aus dem Weg zu räumen, müssen Sie allerdings auch in der Lage sein, Ihren Vorschlag zu revidieren oder gegebenenfalls gar zu verwerfen und durch einen besseren zu ersetzen.
Schicht 4: Einigkeit, dass signifikante negative Nebenwirkungen effektiv eliminiert werden können
Selbst wenn sich alle einig sind, dass die Lösung das Problem vollständig und zufriedenstellend beseitigt, muss sie noch nicht der gegenwärtigen Situation vorzuziehen sein, denn mit ihr kommt das Risiko unerwünschter (oder unbekannter) Nebenwirkungen. Unterschätzen Sie nicht die Hartnäckigkeit dieser Ebene: die Angst vor etwas Hypothetischem ist von Natur aus sehr machtvoll. Was man nicht kennt, kann bis ins Unermessliche wachsen, während das „bekannte Übel“ zumindest vertraut ist. Eine weitere Sorge ist es, durch die Veränderung etwas Positives aufgeben zu müssen. Diese Entscheidungsvorgänge können sehr gut anhand der Change Matrix dargestellt werden.
Quelle: Uwe Techt, Zukunftsbaum mit negativem Ast3
Im Zukunftsbaum wird jeder dieser Vorbehalte der Negativen Nebenwirkung als separater Ast aufgeschlüsselt. Er muss erfolgreich beseitigt werden – entweder dadurch, dass die zusätzlichen Annahmen sich als ungültig herausstellen, oder anhand einer weiteren Injektion. Jeder einzelne Vorbehalt muss aus dem Weg geräumt werden, wenn Sie sicherstellen wollen, dass die anderen Mitarbeiter Ihre Veränderungsinitiative nicht torpedieren.
Die letzten beiden Schichten betreffen die tatsächliche Umsetzung der Lösung.
Schicht 5: Einigkeit, dass vorhersehbare Hindernisse überwunden oder gar verhindert werden können
Die Einwände dieser Schicht können manchmal denen der vorherigen sehr ähneln: beide beginnen meist mit „ja, aber“. Es ist aber wichtig, dass ein „Ja, aber“-Einwand richtig identifiziert und in der korrekten Phase behandelt wird. Handelt es sich um eine negative Nebenwirkung (die durch die Veränderung entsteht) oder ein Hindernis (welches die Veränderung behindert)? An dieser Stelle haben wir uns auf die Lösung selber bereits geeinigt, lediglich die Art, wie wir sie umsetzen, steht noch zur Debatte.
Benutzen Sie den Voraussetzungsbaum um etwaige Hindernisse zu identifizieren und neutralisieren. Auch hier spielen Einwände eine vitale Rolle: sie werden konstruktiv genutzt, indem jedem Stolperstein ein Zwischenziel zur Seite gestellt wird: welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit das Hindernis keines mehr ist? Die Person, die das Hindernis zur Sprache bringt, erarbeitet auch das Zwischenziel – erstens kennt sie die Situation augenscheinlich am besten, und zweitens bildet dies einen weiteren hilfreichen Schritt, die Zustimmung zu erhöhen.
Anhand des Umsetzungsbaums bestimmen Sie anschließend die notwendigen Schritte, die zu den Zwischenzielen führen. So werden die Hindernisse eines nach dem anderen beseitigt und Sie erhalten einen robusten Implementierungsplan. Alternativ dazu lassen sich für diesen Vorgang auch die Strategien und Taktiken benutzen.
Schicht 6: Überwindung von vorhersehbaren Trägheiten (eventuelles Festfahren der Gruppe) und Einleiten nötiger Gegenmaßnahmen
Haben Sie nun unter Mitwirkung aller Beteiligten eine Lösung gefunden und sich auf den besten Weg dorthin geeinigt, dürfte der Umsetzung eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Trotzdem werden Sie manchmal weiteren Widerständen begegnen – häufig in passiver Form, indem die Umsetzung boykottiert wird oder zumindest nicht so schnell erfolgt wie erwünscht.
Hierfür kann es viele Gründe geben – etwa Angst vor Statusverlust oder vor Scheitern, eine gewisse Zögerlichkeit oder auch Zynismus aufgrund vorheriger Erfahrungen mit schnell vergessenen Verbesserungsinitiativen. Da diese Ängste und Vorbehalte meist nicht ausgesprochen werden, ist nun einfach Führungsstärke gefragt sowie Konsequenz der eigenen Handlungen. Gehen Sie mit dem guten Beispiel vor und zeigen Sie, dass es Ihnen ernst gemeint ist und Sie den Kurs tatsächlich langfristig beibehalten werden. Fordern Sie aber auch die nötige Mitarbeit von anderen ein.
Hier kann Ihnen außerdem das persönliche Verantwortungsbewusstsein weiterhelfen, das den Mitarbeitern dadurch vermittelt wurde, dass sie an der Erarbeitung der Lösung aktiv mitgewirkt haben. Dadurch wird die Veränderung von den Mitarbeitern als eigenes Projekt anerkannt, wodurch der Erfolg der Initiative auch zu einem persönlichen Erfolgserlebnis führt. Dies ist bedeutend motivierender, als wenn die Veränderung von oben diktiert wird. Das bedeutet für Sie natürlich auch, „loszulassen“ und Ihren ursprünglichen Vorschlag als Gemeinschaftsprojekt anzusehen, der von allen mitgetragen wird, aber auch allen gleichermaßen gehört.
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1: Uwe Techt (2006), S. 168
2: Uwe Techt (2006), S. 172
3: Uwe Techt (2006), S. 175
Quellen:
Efrat Ashlag-Goldratt, “The Layers of Resistance — The Buy-In Process According to TOC” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. S. 571-584
Francis S. Patrick, Using Resistance to Change (and the TOC Thinking Processes) to Improve Improvements, 2005
Uwe Techt, Goldratt und die Theory of Constraints, Lulu Press , 2006