
Gastbeitrag von Rudolf Burkhard
Wie kommt es, dass zwischen 25% und 50% der Leute angeben, am Job an Überforderung oder gar Burnout zu leiden?
Ausschlaggebender Faktor dazu sind nicht nur längere Arbeitszeiten, sondern auch die Tatsache, dass wir ununterbrochen über viele Stunden zu viele Bälle gleichzeitig in der Luft behalten müssen.
Was uns dabei verlorengegangen ist, sind vor allem Endpunkte, Ziellinien und klare Grenzen. Sie wurden von der Technologie bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Unsere Arbeit folgt uns überallhin; unsere digitalen Geräte lassen uns keine Ruhe. Wie bei einem hartnäckigen Juckreiz können wir es nicht lassen, zu kratzen, obwohl dadurch unweigerlich alles schlimmer wird.
Seien Sie ehrlich: surfen Sie während Telefonkonferenzen (oder gar während Gesprächen mit nur einer Person) im Internet? Bringen Sie Ihren Laptop zu Meetings mit und geben dann vor, eifrig Notizen zu machen, während Sie in Wirklichkeit E-Mails beantworten? Essen Sie an Ihrem Schreibtisch zu Mittag? Nehmen Sie im Auto Anrufe an oder schicken gar gelegentlich eine SMS, obwohl Sie wissen, wie gefährlich das ist?
Den höchsten Preis dieses Multitaskings – sofern Sie keinen Zusammenbruch erleiden – bezahlt Ihre Produktivität. Da ist zum Teil die einfache Tatsache, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit aufteilen, so dass Sie mit mehreren Tasks so halb beschäftigt sind, aber kaum je einer Ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Dazu kommt, dass Sie durch dieses Hin- und Zurückschalten von Ihrer Hauptaufgabe die Zeit, die Sie zur Erledigung brauchen, um durchschnittlich 25% erhöhen.
Besonders tückisch aber ist, dass Sie durch dieses ständige Jonglieren mehrerer Aufgaben, ohne jegliche Atempause, Ihre Energiereserven langsam aber sicher aufbrauchen – bis am Ende des Tages nichts mehr bleibt.
Ich kenne dies aus eigener Erfahrung. Ich schaffe das doppelte oder gar dreifache Pensum, wenn ich mich ununterbrochen über einen festen Zeitraum konzentriere und anschließend vom Schreibtisch aufstehe und eine richtige Pause mache. Der sicherste Weg für ein Unternehmen, höhere Produktivität und innovativeres Denken zu erhöhen, liegt darin, Mitarbeiter zu ermutigen, festgelegte Perioden vollständiger Konzentration anzustreben, gefolgt von kurzen, aber richtigen Erholungspausen.
Hier sind drei Methoden, wie Sie dies als Manager fördern können:
1. Kurze, disziplinierte Meetings. Setzen Sie Besprechungen für 45 Minuten an anstatt einer Stunde oder mehr. So können Teilnehmer leichter fokussiert bleiben und sich anschließend Zeit nehmen, über das Besprochene zu reflektieren und vor der nächsten Aufgabe etwas Luft zu schnappen. Beginnen Sie alle Meetings zu einer präzisen Uhrzeit und beenden Sie sie ebenso präzise. Bestehen Sie darauf, dass digitale Geräte ausgeschaltet werden.
2. Hören Sie auf, zu jeder Tageszeit sofort eine Antwort zu erwarten (oder gar zu verlangen). Dies zwingt Ihre Leute dazu, ständig reaktiv zu sein und zerstört ihre Aufmerksamkeit: sie schaffen es nicht, sich ununterbrochen ihren Prioritäten zu widmen. Erlauben Sie ihnen, manchmal Ihr E-Mail-Programm auszuschalten. Ist es wirklich wichtig, können Sie sie immer noch telefonisch erreichen – aber das wird sehr selten passieren.
3. Ermutigen Sie sie zur Erholung. Bieten Sie Ihren Leuten mindestens eine Auszeit am Tag, wo sie nicht arbeiten müssen (ja, dürfen!). Sei es ein Yoga- oder Meditationskurs am Nachmittag, eine Gruppenwanderung oder eine Sportstunde, oder schaffen Sie einen Regenerationsraum, wo Leute sich ausruhen oder auftanken können.
Es liegt natürlich auch am Einzelnen, klare Grenzen für sich zu setzen. Die folgenden Vorgehensweisen sollten Sie auch für sich selbst in Betracht ziehen:
1. Erledigen Sie das Wichtigste gleich morgens, idealerweise ohne Unterbrechung. Halten Sie ich dafür 60 bis 90 Minuten frei, mit einer festen Start- und Endzeit. Wenn möglich arbeiten Sie dazu an einem abgeschirmten Ort oder mit geräuschunterdrückenden Kopfhörern. Widerstehen Sie jeder Ablenkungsversuchung, im Wissen, dass Sie einen vordefinierten Endpunkt haben. Je mehr Sie sich in die Aufgabe vertiefen können, umso produktiver werden Sie sein. Ist die Zeit um, nehmen Sie sich ein paar Minuten zur Erholung.
2. Führen Sie regelmäßige Zeiten ein für langfristige, kreative oder strategische Planung. Damit vermeiden Sie, der ständigen Tyrannei des “Jetzt, jetzt, jetzt“ ausgeliefert zu sein. Idealerweise sollten Sie dies auch in einem dafür eigenen Umfeld tun – eines, das entspannt und sich besonders für aufgeschlossenes Denken eignet.
3. Machen Sie regelmäßig Urlaub, und zwar richtig. Dies bedeutet, dass Sie vollkommen von der Arbeit abschalten. Regelmäßig bedeutet, wenn irgend möglich, mehrmals im Jahr, auch wenn es ein paarmal nur ein verlängertes Wochenende ist. Untersuchungen lassen keinen Zweifel: Menschen sind bedeutend gesünder, wenn sie Ihre gesamte Urlaubszeit in Anspruch nehmen, und produktiver obendrauf.
All diesen Empfehlungen liegt ein einfaches Prinzip zugrunde: Wenn Sie eine Aufgabe erledigen, dann fokussieren Sie sich vollständig darauf, während eines vordefinierten Zeitraums. Wenn Sie sich erholen, dann erholen Sie sich richtig. Seien Sie immer vollständig bei der Sache und hören Sie auf, in der Grauzone dazwischen zu leben.
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