Die Entscheidung, was Sie ändern sollen – wo genau also die Verbesserungsinitiative ansetzen soll – ist natürlich ein wichtiger Schritt. Wie wir bereits gesehen haben, führen Fehlentscheidungen oft zu Misserfolgen, verschwendeter Energie oder gar unerwünschten Wirkungen.
Um dies zu vermeiden, muss als erstes der Grundkonflikt identifiziert werden, den es bei der geplanten Verbesserungsinitiative zu lösen gilt. Jeder Konflikt basiert auf Annahmen – Paradigmen – die hinterfragt werden können. Treffen diese wirklich zu? Wie lässt sich der Konflikt eliminieren?
Die Konfliktwolke der Theory of Constraints bietet ein ideales Tool, um Kernkonflikte darzustellen und zu analysieren. Sie wird im Englischen auch gern als „Evaporating Cloud“ bezeichnet: werden die dem Konflikt zugrunde liegenden Annahmen hinterfragt und stellen sich als ungültig heraus, löst sich der Konflikt ganz von selbst auf („evaporates“). Genau hier müssen Sie ansetzen, um zu prüfen, ob der Konflikt tatsächlich so existiert wie dargestellt. Sind die Annahmen oder Paradigmen, die den Konflikt treiben, tatsächlich gültig? Können sie durch andere ersetzt werden?
Einschränkende vs. befähigende Annahmen
Dr. Barnard setzt der traditionellen Vorgehensweise, die die Entscheidungen in vielen Unternehmen treibt, eine neue entgegen1. Die Grundeinstellung wechselt von einer negativen, „einschränkenden“ Sicht zu einer „befähigenden“, positiven Sicht, bei der aus Problemen Chancen werden. Auf diese Weise können die Hindernisse, die bereits Eli Goldratt in seinem Buch „The Choice“2 definiert hatte und die auch im Veränderungsmanagement häufig vorkommen, neu untersucht und beseitigt werden.
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Limiting versus enabling paradigms to deal with five improvement challenges3
1. Der Engpass wird zur Chance
Anstatt sich davon einschränken zu lassen, was Sie direkt kontrollieren können, gehen Sie prinzipiell davon aus, dass jeder Engpass beseitigt werden kann.
Erforschen Sie, auf welche Weise Sie die Veränderungen vornehmen können, die Sie zu Ihrem gesteckten Ziel führen. Nicht „ich kann das nicht ändern“, sondern „was muss geschehen, um…“
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Limiting versus enabling paradigms to deal with five improvement challenges4
2. Das System ist einfach
Anstatt davon auszugehen, dass ein System komplex ist und aus der Summe seiner Einzelteile besteht, die Sie eines nach dem anderen verbessern, suchen Sie den grundlegenden Kernkonflikt.
Er bestimmt aufgrund von Ursache-Wirkungs-Verkettungen die meisten Unerwünschten Effekte. Nur diesen Kernkonflikt brauchen Sie zu lösen.
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Limiting versus enabling paradigms to deal with five improvement challenges5
3. Ein Win-Win ist immer möglich
Anstatt einen Kompromiss oder einen Vorteil (nur) für sich selbst anzustreben, gehen Sie davon aus, dass es immer möglich ist, eine Win-Win-Situation für alle zu finden.
Dazu verändern beide Parteien ihre Einstellung von „ich gegen dich“ zu „gemeinsam gegen das Problem.“
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Limiting versus enabling paradigms to deal with five improvement challenges6
4. Ungewissheit ist unvermeidlich
Anstatt von Gewissheit auszugehen, akzeptieren Sie, dass Ungewissheit aufgrund von Variabilität nicht zu vermeiden ist.
Ihr Ziel ist also nicht ein Optimum, das Sie punktgenau erreichen wollen, sondern Sie finden die (ungenaue) Region des „gut genug“ und verlassen sich auf direktes Feedback, um bei Fällen des „zu viel“ oder „zu wenig“ etwas gegenzusteuern.
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Limiting versus enabling paradigms to deal with five improvement challenges7
5. Menschen sind prinzipiell gut
Anstatt anzunehmen, dass Menschen schlechte Entscheidungen treffen, weil sie schlecht (selbstsüchtig, gedankenlos, hinterhältig…) sind, gehen Sie von der Grundannahme aus, dass Menschen von Natur aus gut sind.
Sie arbeiten lediglich mit schlechten (falschen) Annahmen, welche beseitigt werden müssen. Dies Einstellung erlaubt Ihnen, gemeinsam mit Ihrem Gegenüber eine Lösung zu finden.
Anhand dieser fünf Schritte haben Sie anhand einer ganz simplen (wenn auch sehr fundamentalen) Umstellung vollkommen neue Wege eröffnet, Probleme anzugehen und zu überwinden. Dies hilft ebenfalls dabei, die zur Veränderung notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Grundlegende Entscheidungskonflikte auflösen
Nun können Sie sich nun den unvermeidlichen Fragen stellen, was, wann, und wie verändert werden soll. Hier tauchen wieder die bereits zuvor behandelten ungültigen Annahmen sowie die darauf folgenden typischen Fehlentscheidungen auf. Mit Ihrer neuen, befähigenden Einstellung gewappnet, können Sie die darunter liegenden Konflikte bedeutend leichter auflösen.
Was soll verändert werden (und was NICHT)
Wenn nur limitierte Ressourcen zur Verfügung stehen, ist es nicht möglich, alle Gelegenheiten zur Verbesserung aufzugreifen. Hier machen sich schnell die (falschen) Paradigmen „mehr ist besser“ und „eine lokale Verbesserung ist auch eine globale Verbesserung“ bemerkbar.
Hier brauchen Sie also den nötigen Fokus, zu bestimmen, welche Veränderung die größte Auswirkung hat (finden Sie den Engpass des Systems oder den Grundkonflikt, der die meisten unerwünschten Effekte hat).
Eigene Darstellung basierend auf Alan Barnard: Core conflicts related to knowing when, what, and how to change8.
Wann soll verändert werden (und wann NICHT)
Der Konflikt zwischen Stabilität und Wachstum und seine Folgen sind bekannt: Veränderung kommt zu spät, wird ganz vermieden oder fällt zu klein aus.
Der Annahme „Veränderung ist nicht möglich“ (denn außerhalb unserer Kontrolle) stellen Sie die befähigende Sicht gegenüber: jedes Hindernis kann überwunden werden.
Die Annahme „Veränderung ist noch nicht notwendig“ (denn wir haben noch reichlich Zeit) durchbrechen Sie mit ehrgeizigen Zielen, die aufzeigen, dass Verbesserung auch außerhalb von Krisenzeiten möglich, gar nötig ist.
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1: Dr. Alan Barnard, “Continuous Improvement and Auditing” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. S. 415ff.
2: Goldratt, E. M., The Choice, Great Barrington, MA: North River Press, 2008.
3-8: Ibidem, S. 417