In unserem ersten Eintrag stellten wir den Teufelskreis vor, der dazu führt, dass die Mehrzahl der Veränderungsinitiativen in Unternehmen scheitert. Getrieben wird er vor allem von den niedrigen Erwartungen der Beteiligten: von vorneherein erhält kaum eine neue Initiative volle Unterstützung und Ressourcen – womit sie dann auch wieder scheitern muss.
Wie kann dieser Kreislauf durchbrochen werden? Dr. Alan Barnard stellt hierzu in seinem Artikel „Continuous Improvement and Auditing“1 Dr. Eli Goldratts sechs Kriterien2 vor, die jede Veränderung erfüllen muss, um die bekannten negativen Effekte zu vermeiden und alle zu überzeugen:
Jede Veränderung erzielt außerordentliche Resultate
Variabilität ist eine unvermeidliche Tatsache und sorgt dafür, dass unbedeutende Ergebnisse (z.B. 5% Verbesserung) nicht messbar sind. Aus diesem Grund legen Sie ein ehrgeiziges Ziel fest, das klar messbar ist, ebenso wie Folgen für alle Beteiligten, wenn das Ziel nicht erreicht wird.
Jede Veränderung führt für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation
Sobald auch nur eine Partei den Eindruck hat, bei einer Veränderung den Kürzeren zu ziehen, wird es sehr schwer sein, Zustimmung und somit Mitarbeit zu erhalten: die Initiative ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten verstanden haben, dass ab jetzt nur Win-Win-Lösungen akzeptiert werden.
Jede Veränderung hat geringe Risiken im Vergleich zu den erwarteten Vorteilen
Die meisten Manager sind viel geübter darin, die Risiken einer Handlung zu ermessen als die der Nicht-Handlung. Das führt natürlich zu Trägheit. Eine gute Veränderungsinitiative beginnt also damit, beide Risiken deutlich zu machen. Unterscheiden Sie zwischen starker Wirkung / geringem Risiko und schwacher Wirkung / hohem Risiko. Ermitteln Sie, welche auf die Veränderung (und die Nicht-Veränderung) zutreffen.
Jede Veränderung führt zu einer einfacheren Situation als heute
Komplexität soll vermieden werden: Sie ist oft schwer zu verstehen (alle Risiken und Nebenwirkungen können zu Beginn kaum ermittelt werden), schwerer umzusetzen und braucht mit hoher Wahrscheinlichkeit viel länger, um die gewünschten Resultate zu erzielen. Entsprechend wird jede Veränderung daran gemessen, ob sie die Ist-Situation vereinfacht oder komplexer macht.
Jede Veränderung muss umsetzbar sein und schnelles Feedback bieten
Nur konkrete, umsetzbare Schritte haben eine Chance, auch wirklich implementiert zu werden. Dazu müssen sie messbar sein, um möglichst schnell Feedback darüber zu geben, ob die Maßnahme zum erwarteten Ziel führt oder gegebenenfalls angepasst werden muss. Jeder Beteiligte sollte in der Lage sein, zu erklären, wie er seinen nächsten Schritt durchführt und wie er sicher sein kann, dass er funktioniert.
Jede Veränderung wird darauf geprüft, dass sie nicht im eigenen Erfolg untergeht
Fast jede Veränderung trägt das Potential zur Selbstzerstörung in sich: etwa, wenn sie den erwarteten Umsatzanstieg weit übertrifft und die Produktion nicht hinterherkommt. Alle Beteiligten werden daher ermutigt, derart unerwartete „negative“ Konsequenzen zu ermitteln und darzulegen (mit entsprechenden Ursache-Wirkungs-Verkettungen) und Gegenmaßnahmen zu planen.
Sind diese sechs Kriterien erfüllt, haben Sie bereits die besten Voraussetzungen für eine Veränderungsinitiative mit bedeutend höheren Erfolgschancen. Doch wie genau entscheiden Sie, wo die Verbesserung am meisten nötig ist?
Die Antwort liegt im Fokus
Wie wir bereits gesehen haben, reicht allein der Wille zur Veränderung noch nicht aus und Fehler sind leicht gemacht. Die bekannten Methoden wie Six Sigma oder TPS führen gern zu drei typischen Fehlern, wie Dr. Alan Barnard erläutert3:
- Oft wird dort angesetzt, wo lokal gut sichtbare Probleme bestehen oder Verbesserungspotential besteht, die jedoch auf die Leistung des Gesamtunternehmens geringe oder keine Auswirkungen haben.
- Es werden einfache und leicht lösbare Probleme ausgewählt.
- Wir befassen uns mit Problemen, für die wir das richtige „Werkzeug“ parat haben anstatt denen, die wirklich einer Lösung bedürfen.
Was hier also fehlt, ist der notwendige Fokus, sich auf genau das zu konzentrieren, was getan werden muss. Dies ist einer der Grundbausteine der Theory of Constraints und wurde in diesem Blog bereits ausführlich behandelt. Der Durchsatz des Unternehmens wird vom Engpass bestimmt. Nur eine Veränderung, die dort ansetzt, kann durchschlagende Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben. Jegliche andere Veränderung verpufft mehr oder weniger wirkungslos, solange der Engpass das System weiterhin einschränkt. Mit diesem Fokus auf den Engpass, so erklärt Dr. Barnard, können die Werkzeuge der bestehenden Verbesserungsmethoden wirkungsvoll eingesetzt werden.
In unserem nächsten Beitrag behandeln wir einige weitere typische Fehler und wie sie vermieden werden können.
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1: Dr. Alan Barnard, „Continuous Improvement and Auditing” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. S. 403-454
2: Goldratt, E. M. 2008. “The Goldratt Webcast Program on Project Management: Sessions 1–5. (fünfteilige Videoreihe)” Roelofarendsveen, The Netherlands: Goldratt Marketing Group, 2008 präsentiert in Dr. Alan Barnard, „Continuous Improvement and Auditing” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. Tabelle 15-4 “Success Criteria Recommended by Dr. Eli Goldratt” S. 432
3: Dr. Alan Barnard, “Continuous Improvement and Auditing” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. S. 441