
Freie Übersetzung von „The Importance of Big Data“ von Amir und Eli Schragenheim 1
Ist Big Data wichtig? Kann jedes Unternehmen daraus bedeutenden Nutzen ziehen?
Manager werden diese Frage sicher in den meisten Fällen etwa so beantworten: Ja, es hat großes Potential, doch es besteht auch das Risiko, in einem Datenmeer unterzugehen (siehe Goldratt in The Haystack Syndrome).
Mein Sohn Amir und ich aber sind der Meinung, dass hier ein sehr bedeutender potentieller Mehrwert liegt. Vielleicht sollten wir also unsere Behauptung belegen und versuchen, die zahlreichen Skeptiker zu überzeugen.
Was ist Big Data?
Big Data im engen Sinne ist die Möglichkeit jedes Unternehmens, große Mengen an Daten relativ kostengünstig zu sammeln und in der Cloud (oder lokal) zu speichern, sie mit entsprechender Software zu analysieren und in einer Form zu präsentieren, aus der Menschen relevante Informationen ziehen können.
Im weiteren Sinne umfasst Big Data auch riesige Datenmengen aus externen Quellen, die im Internet frei (oder manchmal kostenpflichtig) zugänglich sind. Unternehmen wie Google, Facebook und LinkedIn bieten die entsprechenden Tools, und es gibt auch öffentliche Datenbanken, deren Daten man zu einem gewissen Preis durchsuchen und nutzen kann.
Es scheint offensichtlich, dass einige Unternehmen (ganz sicher die größeren) sehr viel Nutzen aus Big Data ziehen – zum Beispiel die drei eben genannten Datenmanipulatoren. Sie erlauben es, fokussiert einer sehr klar definierten Zielgruppe Werbung zu präsentieren. Wer hochspezifische Marktsegmente eingrenzen kann, der kann dadurch leichter nützliche Informationen über die Vorlieben seiner Kunden erhalten.
Der E-Commerce-Sektor, allen voran Online-Stores, können auf ihren eigenen riesigen Datenschatz zurückgreifen – zusammengestellt aus jeder Bewegung und jedem Klick eines jeden Webseiten-Besuchers – aus dem Informationen über die Vorlieben und Interessen ihrer Kunden gezogen werden können. Die Analyse dieser Datensammlung bietet nicht nur einen Weg, dem Kunden vermehrt gezielte Produkte mit einer hohen Verkaufschance anzuzeigen, sondern auch, den Kunden für zukünftige Angebote zu gewinnen. Neben den Interessen des einzelnen Kunden können durch die Analyse dieser Daten auch Schlüsse über größere Kundengruppen gezogen werden – etwa, welche Rolle der Preis in ihren Kaufentscheidungen spielt.
Stationäre Geschäfte geben sich viel weniger Mühe, Daten über die Vorlieben ihrer Kunden zu sammeln, abgesehen von der sehr begrenzten Erfassung ihrer Verkaufszahlen. Ohne direkten Zugriff auf Kundendaten und, schlimmer noch, ohne überhaupt erst zu wissen, welche Daten ihnen dabei helfen würden, mehr Umsatz zu machen, sind sie ziemlich hilflos. Der Einzelhandel macht große Verluste durch diese Unfähigkeit, die Daten zu erhalten, die er braucht, um effektiver zu werden.
Kurz: Unternehmen, die sehr leicht einfache, aber relevante Daten sammeln können, erhalten so Antworten auf entscheidende Fragen und gewinnen dadurch einen bedeutenden Mehrwert. Andere Unternehmen tun das nicht.
Optimale Ausnutzung der neuen Technologie
Eröffnet sich dem Markt eine neue Technologie – wie die Fähigkeit, riesige Mengen an Daten zu speichern und zu analysieren – dann stellen sich zwei ähnlich klingende, aber tatsächlich unterschiedliche Fragen:
1. Können wir diese neue Technologie zu unserem Vorteil nutzen?
2. Erlaubt uns die neue Technologie, unsere derzeitigen Hindernisse zu überwinden? Falls ja, welche Vorteile bringt das uns?
Viele Unternehmen erkennen nicht sofort die Vorteile einer bedeutenden neuen Technologie und werden auf die erste Frage also „NEIN“ antworten. Dabei sollte der zweiten Frage erstmal viel mehr Aufmerksamkeit zukommen. Oft nehmen Unternehmen Hindernisse nach einer Weile als gegeben hin. Sie lernen, irgendwie damit zu leben und versuchen gar nicht mehr, sie zu eliminieren. Doch die neue Technologie kann diese bestehenden Einschränkungen möglicherweise bedeutend reduzieren oder gar beseitigen. Dann eröffnen sich auch leicht neue Chancen und Vorteile!
Diese Überlegung findet man auch in Goldratts zweiter der sechs Technologiefragen:
Welche heute bestehenden Ein-/Beschränkungen oder Hindernisse werden durch die neue Technologie beseitigt oder erheblich reduziert?
Das erste, was einem dazu einfällt, ist wahrscheinlich die erheblich erweiterte Speicherkapazität. Doch es ist fraglich, ob dies eine relevante Antwort auf die Frage ist, denn der Mehrwert dieser riesigen Datenmengen an sich ist unklar – sie können leicht dazu führen, dass viel Zeit und Geld vergeudet wird, ohne sichtbare Resultate.
Ein weiterer angeblicher Vorteil der neuen Methoden ist die Geschwindigkeit, mit der die vielen Daten gesammelt und anschließend in einem ansehnlichen, visuellen Format präsentiert werden können. Auch dies bedeutet nicht unbedingt einen Mehrwert, sofern keine nützlichen Informationen aus diesen Grafiken gezogen werden können.
Die richtigen Informationen für die wichtigen Fragen
Wir brauchen nicht zwangsweise mehr Informationen, und wir brauchen auch nicht einfacher zu verstehende Informationen. Was wir brauchen, sind mehr relevante Informationen zu den entscheidenden Problemen, denen das Unternehmen gegenübersteht. Tatsache ist: wenn eine Entscheidung getroffen wird, stehen heute so gut wie nie vollständige und perfekte Daten zur Verfügung. Variabilität und Unbekanntes führen zu hoher Ungewissheit. Sicherlich kann diese Situation auch in Zukunft nicht vollständig beseitigt werden, doch die unbekannten Faktoren könnten bedeutend reduziert werden, wenn dem Entscheider die richtigen und relevanten Informationen zur Verfügung stehen.
Amir und ich schlagen daher folgende Antwort auf die zweite Technologiefrage vor (Hindernis, das durch die neue Datentechnologie reduziert wird):
Keine zuverlässigen Antworten auf Fragen zu erhalten, die Daten benötigten, welche bisher nicht verfügbar oder nicht zugänglich waren.
Ein Beispiel einer solchen Frage wäre: welche Funktionen vermissen viele Kunden an unseren Produkten?
Sicher kann man den Kunden derartige Fragen stellen und auch ihre Antworten speichern. Doch viele Kunden werden sich weigern, zu antworten, oder sie wissen nicht, was ihnen fehlt, bis sie die Funktion sehen. Können wir die Frage vielleicht beantworten, indem wir analysieren, weswegen verschiedene Produkte aus unterschiedlichen Quellen plötzlich großen Erfolg hatten?
Die Unfähigkeit, entscheidende Fragen zu beantworten, ist für jedes Unternehmen eine bedeutende Einschränkung. Die Suche nach wirklich relevanten Daten sollte in den meisten Fällen neue Informationen liefern, die nach einer effektiven Analyse einen erheblichen Mehrwert bieten. Um diese heikle Verbindung zwischen Daten und Informationen zu verdeutlichen, können wir auf die Definition für „Information“ zurückgreifen, die Goldratt in seinem Buch The Haystack Syndrome von 1990 gab:
Information ist die Antwort auf eine gestellte Frage.
Diese Definition hebt zwei Erkenntnisse hervor.
1. Die Fragestellung selbst ist schon sehr wichtig. In den meisten Fällen stellt man Fragen über etwas, das einen stört. Die korrekte Antwort auf die Frage erfüllt somit auch ein Bedürfnis.
2. Um eine Frage zu beantworten, benötigt man Daten. Durch die Frage werden also aus (relevanten) Daten Informationen.
Um ein Unternehmen erfolgreich zu führen, muss man Fragen stellen, und jede dieser Fragen fügt sich in eine der folgenden beiden Kategorien ein:
1. Neue Chancen identifizieren und wie daraus Mehrwert gewonnen werden kann.
2. Sich entwickelnde Bedrohungen identifizieren und wie sie beseitigt oder kontrolliert werden können.
Die erste Kategorie behandelt neue Erfolgsinitiativen. In der zweiten Kategorie geht es darum, sich zu schützen. Beide sind für jedes Unternehmen kritisch.
Wie kann Big Data derzeitige Einschränkungen verringern?
Goldratts dritte Frage lautet:
Welche Verhaltensmuster, Gewohnheiten und Strategien werden heute angewandt, um die Einschränkung zu umgehen?
Fehlt die Möglichkeit, die notwendigen Daten aus vielen verschiedenen Quellen zu beziehen, bleiben den Entscheidungsträgern folgende Elemente:
- Routine-Daten aus dem vorhandenen ERP-System des Unternehmens zu benutzen
- Die Intuition von Schlüsselpersonen im Unternehmen, die dem Thema am nächsten stehen.
- Generell einen ultra-konservativen Ansatz vorziehen, aufgrund der vielen Unbekannten und des gefühlten Risikos.
Das wichtigste Element ist der Einsatz von Intuition, basierend auf vergangenen Erfahrungen. Dies sind sicher relevante Informationen, doch ihre Qualität ist fragwürdig. Ein Mangel an Objektivität, persönliche Vorurteile, und eine allgemeine Ablehnung von Veränderung machen Intuition eher problematisch.
Intuition wird auch weiterhin eine große Rolle spielen. Doch Big Data bietet die Möglichkeit, anhand rigoroser Analyse bisher nicht erhältlicher Daten die Validität dieser Intuition (und der darunterliegenden Annahmen) zu testen. Es kann somit ein neues Verhältnis zwischen faktenbasierter Analyse und Intuition einleiten. Zusätzlich kann es zu neuen Einsichten führen, die wiederum die Intuition beeinflussen können.
Anhänger der Theory of Constraints argumentieren, dass neben der Intuition auch eine Ursache-Wirkungs-Analyse stehen sollte, die es guten Managern erlauben soll, auch mit minimalen Daten korrekte Vorhersagen zu machen. Dies ist manchmal schon richtig, doch da jede Ursache-Wirkungs-Analyse auf beobachteten Wirkungen basiert, die nicht unbedingt reellen Tatsachen entsprechen, kann selbst die robusteste Logik ohne verlässliche Daten nicht immer mit zu vielen Unbekannten umgehen.
Wie also können diese riesigen Datenmengen unsere Fähigkeit verbessern, neue Chancen und aufkommende Bedrohungen zu erkennen?
Mit Fokus werden Daten zu einer Stärke
Die größte Falle, in die wir mit der neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung tappen können, ist: den Fokus verlieren – große Mengen an Zeit und Aufwand investieren, um Daten zu sammeln und analysieren, um anschließend so gut wie nichts vorweisen zu können. Dies ist in vielen Unternehmen eine echte Gefahr.
Die von uns vorgeschlagene Lösungsrichtung baut auf einen strategischen Prozess auf hoher Ebene auf, der von einem speziellen Team mit zentraler Funktion geleitet wird und folgende Schritte befolgt:
1. Einigung auf eine priorisierte Liste angemessener Ziele, die bisher nicht zufriedenstellend erreicht wurden.
2. Identifizierung der wichtigsten Hindernisse für jedes dieser Ziele und was es braucht, sie zu überwinden. Wir gehen davon aus, dass viele dieser Hindernisse auf Unbekannten basieren.
3. Auf Basis hiervon, Formulierung einer priorisierten Liste spezifischer Fragen, für die bisher keine guten Antworten mit einem angemessen hohen Konfidenzniveau erhältlich sind.
4. Recherche der spezifischen Daten, die notwendig sind, diese Fragen zu beantworten. Dies werden in vielen Fällen externe Daten sein, doch sie sollten anschließend intern zentral gespeichert werden.
5. Ein globales Bild generieren, wie mehr von diesem Top-Ziel erreicht werden kann. Die Antworten auf diese Fragen werden mit Ursache-Wirkung sowie Intuition zusammengefügt, um mögliche Alternativmaßnahmen zu entwerfen. Diese finale Analyse wird den Entscheidungsträgern vorgelegt.
Der o.g. Prozess ist ähnlich dem, was Geheimdienste für Länder aufsetzen. Sicher, die Prioritäten und die Mittel sind andere. Die wichtigsten Fragen für Länder betreffen meist Bedrohungen, viel seltener Chancen, und die Daten werden meist illegal mit Sondergenehmigung der Regierung gesammelt.
Diesen Prozess an reelle Geschäftsanalytik anzupassen ist sicher nicht so einfach. Ein großer Fehler bei der Nachahmung ist es, grundlegende Unterschiede zu ignorieren. Doch genauso fatal ist es, Ähnlichkeiten zu ignorieren und so die Gelegenheit zu verpassen, von einem lang etablierten Prozess zu lernen. Klammert man die Unterschiede in Ethik, Prioritäten und Mitteln aus, sind die Grundbedürfnisse und Analysetools recht ähnlich, und Big Data bietet die Möglichkeit, diesen Mehrwert für sich zu erschließen.
Eli Schragenheim meint abschließend (den gesamten Text finden Sie auf seinem Blog):
„What makes these efforts worthy to go after is the simple fact that the underlying new insights do not clash with any deep paradigm of big companies.
We, Amir and I, will be glad to take part in such an endeavor. We have delivered a webinar on the topic that goes deeper into analyzing the value of Big Data. The recording of our webinar on the topic can be viewed on the TOCICO site.
In another post we intend to deal with the potential value of simulations to gain new insights and answering very troubling questions. Like Big Data, and actually any new technology, simulations could bring huge value, but require special care from severe pitfalls.“
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Quellen:
1: https://elischragenheim.com/2018/06/11/the-importance-of-big-data/