
Gastbeitrag von Rudolf Burkhard
Auf den ersten Blick sieht es sicherlich danach aus. Je mehr alle unsere teuren Geräte und kostbaren Angestellten leisten, umso geringer sind unsere Produktionskosten. Je geringer die Kosten, umso mehr Gewinn machen wir beim Verkauf der Produkte.
Doch der Markt spielt unser Spiel nicht unbedingt immer mit. Wir können nur so viel absetzen, wie der Markt uns abkaufen will. Stellen wir mehr her als der Markt verlangt, dann schaffen wir lediglich Bestände. Diese Problematik wird bei OEE durch “geplante Auslastung” gehandhabt. In der Praxis aber stellen die meisten Werke mehr her als notwendig, um ihre hohe Effizienz zu beweisen und die Produktkosten zu senken. Nun haben wir zwar vielleicht niedrigere Materialkosten, doch insgesamt haben wir mehr Geld für Rohmaterial und Komponenten für Produkte ausgegeben, die wir nun irgendwo lagern müssen.
Doch haben wir nicht nur physische Bestände, sondern wir schaffen auch im Rechnungswesen finanzielle Bestände. Der errechnete Wert unseres Produktes – Material und Arbeitskosten werden dabei zu Betriebskapitalinvestitionen – „versteckt“ sozusagen einen Teil der Produktionskosten (Lohn und einen Teil der Gemeinkosten) in den Beständen.
Dadurch verleitet OEE die Mitarbeiter zur Überproduktion, um ein gutes OEE-Ergebnis zu erhalten, und unser Betriebskapital steigt an.
Könnten OEE und andere Effizienzkennzahlen zumindest zum Teil Auslöser sein für die Konjunkturzyklen, unter denen wir regelmäßig leiden? Unternehmen schaffen so hohe Bestände, dass das Management (schlussendlich) die Bremse ziehen muss.
Da die meisten Lieferketten recht lang sind und viele Unternehmen entlang der Kette auf Basis von OEE-Kennzahlen arbeiten, lässt sich leicht erkennen, wie die Auswirkungen hiervon den ganzen Weg zu den Rohmaterialien – Minen und andere Materialien – zurückfließen können. Die Wirtschaft reagiert mit einer gewissen Panik.
Bis alle überschüssigen Bestände abgesetzt wurden (oft durch margen-vernichtende Rabatte), fachen die Medien die Panik mit ihrer Berichterstattung weiter an, was zweifelsohne zu weiteren nicht-optimalen Entscheidungen führt (sehen Sie dazu dieses Video).
Stellen Sie sich die Frage, was die Auswirkungen dieser Überproduktion auf Rentabilität sind. Kurzfristig kann ein Unternehmen sicher höhere Profite aufzeigen. Doch wie sieht es über längere Zeit aus? Wieviel Schaden fügt Überproduktion einem Unternehmen oder einem Wirtschaftssystem zu?
Orientieren Sie sich an der Marktnachfrage, um zu entschieden, was Sie produzieren oder nicht produzieren sollen. OEE und ähnliche Kennzahlen können, an der richtigen Stelle und auf die richtige Weise eingesetzt, durchaus hilfreich sein, doch dürfen sie Werke nie zur Überproduktion verleiten!
Probieren Sie folgendes aus: schaffen Sie OEE als Kennzahl ab und benutzen Sie Liefertreue (bei Make-to-Order) oder Produktverfügbarkeit (Make-to-Stock) als Ihre Hauptkennzahlen.
Ihre Kosten werden nicht ansteigen – Ihre Produkte sitzen auch nicht mehr nutzlos (und ohne Umsatz zu produzieren), in Ihren Beständen.
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OEE: Zu Deutsch, Gesamtanlageneffektivität oder GAE