Wie wir in der Einführung zum Thema gesehen haben, erfordert der unternehmensweite Veränderungsprozess ein tiefgreifendes Umdenken bei allen Beteiligten.
Erfolgsbeispiel First Solar Inc.
Ein sehr erfolgreiches Beispiel einer ganzheitlichen Implementierung des Durchsatzmodells finden wir beim Solarenergieunternehmen First Solar Inc. Mitte der 80er Jahre von Harold McMaster gegründet, agierte es lange im Vorfeld der noch sehr jungen Branche der erneuerbaren Energien, konnte jedoch über Jahrzehnte keine Profite vorweisen und verbrannte Millionen in Forschung. Ein Umschwung erschien unwahrscheinlich. Doch 2003 wurde First Solar von einer Private-Equity-Firma aufgekauft und schaffte es innerhalb weniger Jahre in die S&P 500.
Ein junges, innovatives Management-Team unter Michael Ahearn setzte dabei unter anderem auf das Durchsatz-Modell der Theory of Constraints. Diese außerordentliche Erfolgsstory dokumentieren Dr Alan Barnard und Ray Immelmann in einer Fallstudie 1 und liefern damit ein sehr anschauliches Beispiel, wie die holistische TOC-Einführung gelingen kann. Die wichtigsten Lektionen habe ich für Sie zusammengefasst:
Unterstützung des Top-Management ist überlebenswichtig
Die Unternehmensführung der First Solar war von Anfang an von der Überlegenheit des TOC-Durchsatz-Konzepts überzeugt. Dies ist und bleibt in jedem Unternehmen eine Grundvoraussetzung, wenn die Theory of Constraints erfolgreich umgesetzt werden soll. Dabei spielt das Management zweierlei Rollen: zum einen bildet es das nötige Rückgrat, um die konsequente Umsetzung durchzuziehen. Zum anderen muss es stets mit gutem Beispiel vorangehen, frei nach dem Motto Ghandis: „Sei selbst die Veränderung, die du sehen willst“.
Die Theory of Constraints ist mehr als ein Werkzeug: sie ist eine Einstellung
Der Weg von einer kostengeprägten Unternehmenskultur zu einer durchsatzgeprägten kann schmerzvoll sein, denn er verlangt von den Menschen ein tiefgreifendes Umdenken. Doch genau dieses ist von großer Bedeutung. Anstatt halbherzig oder gar widerwillig den Prozeduren und Vorgehensweisen der Theory of Constraints zuzustimmen, müssen die Mitarbeiter dauerhaft von der Gültigkeit der zugrundeliegenden Denkweisen überzeugt werden. So erleben sie die Veränderungen als sinnvoll und ziehen alle (gerne) mit.
Workshops, Simulationen und Analogien
Um diese unternehmensweite Unterstützung zu gewährleisten, bietet die Theory of Constraints diverse Tools und Simulationen, auf die in der Anfangsphase zurückgegriffen werden kann. Diese spielen eine wichtige Rolle, um die alten, fehlerhaften Paradigmen aufzudecken und die neuen Verhaltensweisen allen Mitarbeitern anschaulich nahezubringen.
Schneller, durchschlagender Erfolg
Dass gleich die ersten Veränderungen für alle deutlich fühlbare Verbesserungen bringen müssen, hört man nicht ohne Grund immer wieder. Dies wurde auch bei First Solar wieder bewiesen. Als einer der ersten Schritte nach der Übernahme wurde eine neue Anlage gebaut. Trotz widriger Umstände wurde sie vor dem Liefertermin fertiggestellt und bot so gleich ein unwiderlegbares Beispiel des Erfolgspotentials, das die Theory of Constraints dem Unternehmen bieten konnte.
Konsequente Kommunikation auf allen Ebenen
Ebenso wichtig ist es natürlich, Erfolge und Fortschritte zu kommunizieren. So können sich die Mitarbeiter nicht nur regelmäßig darüber informieren, dass die Veränderungen dem Unternehmen nutzen. Offene Kommunikation fördert zudem das Gemeinschaftsdenken und hilft so dabei, dass alle Beteiligten sich involviert fühlen und gerne ihren Beitrag zu den Veränderungen leisten.
Bestehende Stärken ausnutzen und erweitern
Jedes Unternehmen hat Bereiche, die besser funktionieren als andere. So kann es hilfreich sein, diese besonders effizient arbeitenden Systeme („pockets of excellence“) unter die Lupe zu nehmen und ihr Potential auszunutzen: was machen sie richtig? Was können wir auf andere Bereiche übertragen?
Aber auch: Unterschiede berücksichtigen
Nicht jede Abteilung funktioniert nach dem gleichen Schema, und so kann auch bei einer grundlegenden Veränderung nicht einfach eine Schablone auf alle Bereiche gepresst werden. Es ist also wichtig, die jeweiligen Umstände in Betracht zu ziehen und gemeinsam mit allen Beteiligten die passende Umsetzung zu finden. Deren Einwände anzuhören und zu behandeln, anstatt sie einfach wegzuwischen, garantiert zudem höhere Akzeptanz der Initiative.
Nicht ohne einen internen TOC-Vertreter
Neben einer überzeugten Führung sollte das Unternehmen ebenfalls einen internen Veränderungsmanager haben, der den Prozess begleiten und die langfristige Umsetzung überwachen kann. Diese Person sollte Erfahrung und internes Ansehen haben, risikowillig und überzeugend sein. Dazu benötigt sie die volle Unterstützung des Management und jederzeit Zugang zu externen TOC-Experten.
Kontinuierliche Verbesserung
Nicht zuletzt ist es wichtig, den Prozess der Verbesserung niemals als beendet anzusehen. Leistung und Fortschritte müssen kontinuierlich überwacht und weiter vorangetrieben werden. Das Umfeld verändert sich ständig und selbst das erfolgreichste Unternehmen muss sich anpassen, um seinen Wettbewerbsvorteil nicht zu verlieren. Zudem kann es auch bei bester Planung vorkommen, dass sich eine Fehlannahme einschleicht. Hat man aber robuste Methoden der Analyse und Überwachung, kann schnell die Bremse gezogen und der Prozess angepasst werden.
Doch nicht nur in Privatunternehmen findet die Theory of Constraints Einsatz. Im letzten Beitrag dieser Blogreihe erfahren Sie, wie eine holistische Umsetzung selbst im öffentlichen Bereich zu beachtlichen Resultaten führen kann.
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1: Dr. Alan Barnard and Raimond E. Immelman: “Holistic TOC Implementation Case Studies, Lessons Learned from the Public and Private Sector” aus dem Buch Cox III, James F., und Schleier Jr., John G., Hgg. Theory of Constraints Handbook. New York: The McGraw-Hill Companies Inc., 2010. S. 455-498