Immer mehr Arbeitgeber bestätigen ihren Mitarbeitern heutzutage gerne lautstark und öffentlich, sie seien ‚das wahre Kapital des Unternehmens‘, und dass ‚glückliche Mitarbeiter zu einem gesunden Unternehmen führen‘. In der Praxis ist dies oft kaum mehr als ein reines Lippenbekenntnis. Das Arbeitsumfeld in viel zu vielen Unternehmen ist frustrierend, von Misstrauen und Konflikten geprägt und demotivierend.
Das mag nicht verwundern, denn „Menschliches, Allzumenschliches“ ist sicher eines der schwierigsten Elemente effektiven Managements. Zufriedenheit lässt sich schlecht messen und menschliche Verhaltensweisen und Reaktionen werden gern als unvorhersehbar und irrational (da emotional) abgetan.
Und doch besteht gar kein Zweifel daran, dass die leeren Floskeln auf Wahrheit beruhen: ein zufriedener Mitarbeiter, der seinem Arbeitsgeber wohlgesonnen ist, ist ohne Frage ein produktiverer Mitarbeiter, mit mehr Motivation, Initiative und Kollaborationswillen. Genau diese Eigenschaften sind entscheidende Zutaten eines innovativen, florierenden und flexiblen Unternehmens. Dies einfach zu ignorieren, weil es „schwierig“ zu behandeln ist, scheint ein dramatischer Fehler. Doch wie soll das geschehen? Martin Powell erklärt:
„Wollen Sie die Kultur Ihres Unternehmens ändern, dann wird diese Arbeit „an den Menschen“, die soziale Komponente, ein langer und frustrierender Prozess, wenn sie nicht zuerst das System selbst in Schuss bringen, indem Sie die Engines of Disharmony beseitigen!“1
Die Engines of Disharmony
Sie sind die Hauptauslöser dieser so häufig präsenten Unzufriedenheit, die Eli Goldratt identifizierte – natürlich mit dem Ziel, sie zu beseitigen und Zufriedenheit herzustellen. Er nannte sie die „Engines of Disharmony“. Ihnen setzte er die „Engines of Harmony“ gegenüber: dies ist der erwünschte Zustand, durch den wir die Disharmony ersetzen wollen.
ENGINES OF DISHARMONY | ENGINES OF HARMONY |
---|---|
1. Ich weiß nicht, was mein Beitrag zur Zielerreichung ist, und ich weiß auch nicht, wie mein Beitrag bewertet / anerkannt wird. | 1. Ich weiß genau, was mein Beitrag ist und wie mein Beitrag bewertet / anerkannt wird. |
2. Ich weiß nicht, was der Beitrag anderer ist, und ich weiß auch nicht, wie sie bewertet / anerkannt werden. | 2. Ich weiß genau, was andere beizutragen haben und wie ihr Beitrag bewertet / anerkannt wird. |
3. Organisatorische Konflikte darüber, welche Regeln am besten anzuwenden sind, um das organisatorische Ziel zu erreichen. | 3. Systematische Ausrichtung der Regeln mit dem Ziel der Organisation (ersetzen der lokalen / kurzfristigen Optima mit Regeln für ein globales Optimum). |
4. Trägheit / Angst vor dem Scheitern verhindert notwendige Veränderungen und eine kontinuierliche Verbesserung | 4. Prozesse, Skills und Kultur ausgerichtet auf eine kontinuierliche Verbesserung durch das Aufdecken von Widersprüchen und Infragestellen von Grundannahmen. |
5. Individuelle Konflikte wegen bestehender Lücken zwischen Verantwortung und Befugnis (führt zum “Feuerlöschen”). | 5. Systematisches Schließen aller Lücken zwischen Verantwortungen und Befugnissen. Das “Feuerlöschen” wird zum Anstoß für Konfliktlösungen. |
Die angestrebte Harmonie bezog Goldratt vom Konzept des Wa, welches in der japanischen Gesellschaft zwischenmenschliche Beziehungen bestimmt. Dabei liegt der Fokus auf einer harmonischen Gemeinschaft über individuellen Interessen. Beeindruckt war Goldratt von diesem Zitat aus einem der wichtigsten Bücher über CCPM in Japan:
„Selbstverständlich bin ich überrascht und erfreut über den dramatischen Profitanstieg in so kurzer Zeit. Viel wichtiger ist mir jedoch die persönliche und professionelle Entwicklung der Mitarbeiter. Verbesserte Teamarbeit, allerorts erhöhte Motivation: ein solches Unternehmen wollte ich schon immer haben!“ (aus CCPM von Yuji Kishira, zitiert von Eli Goldratt)2
Die im Westen regelrecht revolutionär anmutende Idee, Wohlergehen und harmonischere Zusammenarbeit der Mitarbeiter in den Vordergrund zu stellen anstatt reinen Profit, sprach Goldratt direkt an. Er erkannte: ein Umfeld zu schaffen, wo Menschen von sich aus motiviert sind, dem Unternehmen zu seiner Zielerreichung zu verhelfen, würde letztlich nur positive Auswirkungen haben.
Die identifizierten Engines of Disharmony haben zudem zahlreiche schädliche Effekte, die viel weiter gehen als nur suboptimale Unternehmensleistung:
- Mitarbeiter, die den Sinn einer Initiative sowie ihre eigene Rolle darin nicht erkennen, werden sich ihr oft widersetzen oder zumindest nicht aktiv dazu beitragen.
- Konflikte sind an der Tagesordnung: sie verschwenden Zeit, Energie und absorbieren oft unnötig Management-Aufmerksamkeit.
- Um Konflikte zu lösen, werden Kompromisse getroffen, die für alle Seiten unzufriedenstellend sind.
- Misstrauen und Feindseligkeit bestimmen die Zusammenarbeit und führen zu Spannungen zwischen einzelnen Bereichen.
- Ist jeder nur auf seine eigenen (lokalen) Interessen ausgerichtet, werden Entscheidungen getroffen, die gegen die übergreifenden Ziele des Unternehmens gehen.
- Ungültige oder aktiv schädliche Vorgehensweisen bleiben erhalten, weil sie niemand hinterfragt oder rare Verbesserungsvorschläge als nicht praktikabel abgetan werden.
Wie also können Sie diese negativen Symptome beseitigen? Wie werden Engines of Harmony aus den Engines of Disharmony? Dies erfahren Sie im nächsten Eintrag dieser Serie.
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1: Martin Powell, Artikel “Can a manager really motivate others? Engines of Disharmony”, Goldratt Solutions, 2013, S.4
2: Dr. Eliyahu Goldratt, Article “Engines of Disharmony”, Goldratt Consulting, S.2