
Das Konzept „Industrie 4.0“ hat fünf Jahre nach seiner Einführung in vielen Unternehmen Deutschlands praktischen Einzug gefunden und verändert konkret Produktion und Produktentwicklung, wie zum Beispiel dieser ZEIT-Artikel illustriert.
Die zunehmende Digitalisierung hat dabei scheinbar nur Vorteile:
- Kundenspezifische Lösungen sind einfacher und günstiger umzusetzen.
- Der Datenstrom an Informationen zu jedem Produktionsschritt und jeder Verbesserungsinitiative – sowie die automatische Auswertung – erlauben punktuelle Problemanalyse und präzise Veränderungen.
- Die digitale Verwaltung erlaubt es, mehr Projekte denn je gleichzeitig umzusetzen.
Genau hier verbirgt sich allerdings die Gefahr, die Unternehmen auch schon vor der Digitalisierung gerne zum Verhängnis wurde: bei zu vielen Projekten gleichzeitig nehmen Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit ab.
- Prioritäten gehen verloren, jeder kämpft darum, sein Projekt möglichst weit vorne durchzudrücken;
- Die Verzögerungen führen dazu, dass nur noch mehr Projekte gestartet werden (denn Mitarbeiter wissen: je länger ich warte, umso unwahrscheinlicher, dass mein Projekt drankommt);
- Die Anforderungen bereits begonnener Projekte ändern sich, um mit den wechselnden Umständen mitzuhalten – was natürlich wiederum eine Verlängerung der Projekte mit sich bringt;
- Die Möglichkeit, mehr Projekte gleichzeitig umzusetzen, verleitet dazu, sich zu übernehmen.
Bei externen – kundenbetriebenen – Projekten fungiert der Markt als natürlicher „Regulator“ dieses Prozesses: wird das System überladen und die Lieferzeiten unverhältnismäßig lang, vergeben Kunden einfach keine Aufträge mehr.
Bei internen Projekten allerdings fehlt dieser Regulator und so können Verbesserungsinitiativen „ohne Ende“ gestartet werden. Sie kommen sich gegenseitig in die Quere, kämpfen um Ressourcen und Aufmerksamkeit, verfolgen teilweise sogar widersprüchliche Ziele und drohen so, das Unternehmen zum Stillstand zu bringen.
Anstatt diese Situation zu verbessern und transparenter zu machen, hat die zunehmende Digitalisierung oft den gegenteiligen Effekt: nun können noch mehr Projekte gestartet werden und es wird schwerfallen, dieser Versuchung zu widerstehen. Manager fühlen sich regelrecht dazu gezwungen, denn die bestehenden Möglichkeiten müssen ja voll ausgenutzt werden, um im Markt mitzuhalten. Die Mengen an Daten, die nun zur Verfügung stehen, machen zudem Entscheidungen nicht leichter und können zur Lähmung führen.
Die Aufmerksamkeit der Topmanager wird an immer mehr Stellen gleichzeitig gefordert. Sie müssen schnell komplexe Entscheidungen fällen anhand einer Flut von Informationen aus zahlreichen Quellen. Fokus wird immer schwieriger und doch immer wichtiger. Was also kann man tun, um in dieser neuen Welt nicht den Überblick zu verlieren?
Ein einfaches und zugleich flexibles Multiprojekt-Management ist gefragt. Der FLOW der Projekte muss dabei stets im Vordergrund stehen. Dies verlangt einen radikalen Paradigmenwechsel, denn die nicht totzukriegende Überzeugung, „Mehr ist immer besser“ wird durch die Digitalisierung nur noch bestärkt.
Stattdessen müssen sich Unternehmen die Frage stellen: „Welche Initiative wird einen einschlagenden Erfolg haben? Welcher wollen wir unsere gesamte Aufmerksamkeit schenken? Und welche können wir vorerst auch bleiben lassen?“ Folgende Punkte sollten Sie dabei beachten – mehr Informationen zu den einzelnen Aspekten finden Sie jeweils hinter den Links:
- Es braucht klare und robuste Prioritäten, die für alle im Unternehmen jederzeit transparent sind und nicht ständig wechseln.
- Der richtige Fokus hilft, zu entscheiden, welches der Projekte die größte Auswirkung haben wird und als Erstes in Angriff genommen werden soll.
- Den Projekten werden ausreichend Ressourcen zugeordnet, die ununterbrochen arbeiten können und nicht vorzeitig abgezogen werden. Puffer helfen, unvorhersehbare Ereignisse abzufangen, ohne den Zeitplan über den Haufen zu werfen.
- Die Pipeline interner Projekte darf nicht überladen werden: die Anzahl aktiver Projekte wird auf ein sinnvolles Niveau reduziert und auch dort belassen – trotz digitaler Verwaltung! Idealerweise sollte (pro Bereich) nur eine Maßnahme gleichzeitig erfolgen – nur so kann man sicher sein, dass erzielte Veränderungen tatsächlich darauf zurückzuführen sind.
- Management-Aufmerksamkeit ist meist knapp: Topmanager greifen daher nur dort ein, wo ihre Unterstützung tatsächlich am dringendsten benötigt wird – dank klarer Prioritäten ist dies stets sichtbar.
- Damit Manager schnelle Entscheidungen treffen können, müssen die richtigen Informationen stets zur Verfügung stehen (und nur die – allzu viele Kennzahlen verwirren eher, als dass sie helfen).
Wenn die vereinbarten Prioritäten von jedem befolgt werden, wird verhindert, dass Projekte um Ressourcen konkurrieren (oder sie voneinander abziehen). Projekte werden nicht mehr zu früh gestartet oder unterbrochen, denn Mitarbeiter wissen, dass auch ihr Projekt schneller drankommt, wenn die aktiven Projekte ungestört beendet werden können. Zudem werden so Verbesserungsinitiativen schneller spürbare Resultate erzielen – ein entscheidender Faktor, um den Erfolg einer Maßnahme zu messen und die Mitarbeiter zu motivieren.
Mit einem robusten und flexiblen Projektmanagements-System kann die Digitalisierung optimal ausgenutzt werden, um das Unternehmen erfolgreich für die Zukunft zu stärken. Mit dem richtigen Fokus wird sie zu einem mächtigen Tool anstatt zu einem weiteren überlastenden Faktor im atemlosen Konkurrenzkampf am Markt.