
Gastbeitrag von Eli Schragenheim
“Sage mir, wie du mich misst und ich sage dir, wie ich mich verhalten werde.”
Dieses bekannte Zitat von Eli Goldratt beschreibt einen inhärenten Konflikt zwischen dem individuellen Mitarbeiter und dem Unternehmen. Der Mitarbeiter passt sein Verhalten daran an, wie er bewertet wird – und das ist nicht immer zum Wohl des Unternehmens.
Wieso bewertet ein Unternehmen seine Mitarbeiter überhaupt??
„Messen“ Sie das Verhalten Ihres Ehepartners, Ihrer Kinder oder guter Freunde? Zweifelsohne haben Sie bestimmte Erwartungen, die manchmal erfüllt werden und manchmal nicht – aber versuchen Sie im persönlichen Umfeld, diese Erwartungen zu quantifizieren? Wieso sollte es im professionellen so viel anders sein?
Was wollen Sie mit der Leistungsmessung bezwecken?
Ein wichtiger und triftiger Grund der Leistungsmessung ist, wenn untersucht werden soll, wieso Ergebnisse von den ursprünglichen Erwartungen abweichen. Doch um das überhaupt zu schaffen, müssen die Erwartungen dokumentiert und quantifiziert werden. Nun sind aber „Erwartungen“ selten messbaren Kennzahlen.
Ein Beispiel aus dem privaten Bereich: Als Vater erwarte ich, dass meine Kinder gute Noten mit nach Hause bringen –mindestens Zweier. Eine schlechtere Note führt nicht zu Strafen, sondern wir versuchen, den Grund dahinter zu verstehen, damit mein Kind es beim nächsten Mal besser machen kann. Andere üben sicher mehr Druck auf ihre Kinder aus. Aber ist solcher Leistungsdruck wirklich hilfreich? Klar ist: werden Noten wie Leistungskennzahlen behandelt, mit entsprechenden positiven oder negativen Konsequenzen, dann werden sie sich wahrscheinlich verbessern. Die wichtigere Frage aber ist: wird dadurch das Leben der Kinder verbessert?
Verbessert sich Leistung durch Leistungsmessung?
Goldratt hat uns bereits gezeigt, wie schlechte Kennzahlen der Gesamtleistung des Unternehmens schaden können. Das geschieht meist aus einem von drei Gründen:
1. Es sind die falschen Kennzahlen.
2. Abhängigkeiten werden nicht berücksichtigt. Die Kennzahl ist nicht nur von der Leistung des Einzelnen abhängig, sondern auch von anderen Faktoren, wie z.B. der Leistung anderer.
3. Variabilität wird nicht berücksichtigt. Leistung wird über die Zeit variieren. Einige der Gründe dieser Schwankungen sind durch externe Faktoren erklärbar (z.B. Kopfschmerzen), andere haben keine eindeutige Erklärung.
Wie viel macht dieser Variabilitätsfaktor aus?
Ich schaue mir recht gern Sport im Fernsehen an, um diese unerklärlichen Variationen in der Leistung der Sportler auszumachen. Vor allem im Tennis fällt auf, wie die Anzahl sog. „unforced errors“, also vermeidbarer Fehler, und der Prozentsatz der ersten Aufschläge innerhalb eines Spieles schwanken. Hier zeigt sich, dass unsere Fähigkeit, gewisse Dinge zu tun, bedeutend variieren kann.
Wenn Leistungskennzahlen den Einfluss von Abhängigkeiten und Variabilität nicht berücksichtigen, dann wird der Mitarbeiter der Kennzahl misstrauen und dazu verleitet sein, sie so viel wie möglich zu seinem Vorteil zu beeinflussen.
Kurz: der Einfluss von Komplexität (Abhängigkeiten) und Ungewissheit (Variabilität) wird bei der Leistungsmessung ignoriert – beides als direkte Folgen von Misstrauen.
Vertrauen (ebenso wie Misstrauen) sind im Privat- wie im Geschäftsleben ausschlaggebende Faktoren – und ganz ohne Zweifel auch im Unternehmensmanagement. Wenn das Unternehmen seinen Mitarbeitern nicht vertraut und entsprechend die individuelle Leistung misst, führt das wiederum dazu, dass die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten nicht vertrauen und ihr Verhalten entsprechend verändern – oft entgegen der Unternehmensinteressen.
Schon das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Eigentümern (Aktieninhaber und gegebenenfalls Vorstand) ist von Leistungsmessung geprägt. Jeder Geschäftsführer möchte Unternehmensergebnisse erreichen, die die Eigentümer zufriedenstellen und positiv auf ihn selber reflektieren.
Eine offensichtliche Herausforderung ist dabei, sicherzustellen, dass alle anderen Mitarbeiter ebenfalls alles Mögliche tun, um diese Ergebnisse zu erzielen. Er wird also, wenn möglich, Leistungskennzahlen einführen, die die Mitarbeiter dazu antreiben, sich mehr anzustrengen. Doch tun sie das wirklich? Oder passen sie lediglich ihre verfügbaren Kapazitäten den Kennzahlen an?
1.1
Die meisten Geschäftsführer wollen anerkannt werden.
1.2
Gute Unternehmensresultate werden meist dem GF zugeschrieben.
2.1.
Dem GF liegt sehr daran, gute Unternehmensergebnisse SICHERZUSTELLEN.
2.2
Jeder Mitarbeiter hat zum Erfolg des Unternehmens beizutragen.
2.3
Viele Mitarbeiter wollen nicht den vollen Einsatz bringen, der von ihnen erwartet wird.
2.4
Es ist nicht einfach, zu erkennen, wenn Mitarbeiter nicht die notwendige Leistung erbringen.
3.1
Der GF sieht sich gezwungen, die Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters zu messen und die bestmöglichen Leistungen der Mitarbeiter mit Zuckerbrot und Peitsche zu erzwingen
3.2
Zahlenbasierte, quantitative Messungen (anstatt genereller Verhaltensnormen) scheinen die natürliche Wahl, menschliches Verhalten zu messen
4.1
Quantitative Leistungsmessung bewertet die Leistung der Mitarbeiter, mit Auswirkungen auf Einkommen und berufliche Zukunft.
Ein einfacher Ursache-Wirkungs-Baum, der die Auswirkungen von Leistungskennzahlen auf die Mitarbeiter zeigt.
Stimmt mit der dargestellten Logik irgendetwas nicht?
Was ist mit Knoten 2.3 – trifft das in der Wirklichkeit zu? Lassen Sie uns das genauer untersuchen, um eine Lösungsrichtung zu finden. Mehr dazu in Teil 2!
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